Kein Weg zurück aus Großbritannien

Richard Doves Studie über exilierte deutschsprachige Schriftsteller in Großbritannien

Von Andrea HammelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Hammel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dem vor kurzem erschienenen Band "Journey of No Return. Five German-speaking Literary Exiles in Britain, 1933-1945" hat Richard Dove zu der Aufholarbeit beigetragen, die die britischen Exilforscher noch zu leisten haben. Dove, als Gründungsmitglied des Research Centre for German and Austrian Exile Studies am Institute for Germanic Studies in London, hat schon mit seiner Biographie über Ernst Toller, die beim gleichen Verlag erschienen ist, ein wichtiges Buch über einen deutschen Schriftsteller im britischen Exil geschrieben.

In "Journey of No Return" stellt Dove fünf weitere deutschsprachige Schriftsteller vor, die als Exilanten in Großbritannien lebten. So werden der international bekannte Österreicher Stefan Zweig, der Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr, der Dichter Max Herrmann-Neiße, der pazifistische Journalist Karl Otten und der österreichische Schriftsteller Robert Neumann wegen ihrer frühen Auswanderung nach England für eine komparatistische Analyse ausgewählt. Richard Dove verteidigt seine Auswahlkriterien auch gleich zu Beginn der Einleitung, besonders gegen den Vorwurf, keine Schriftstellerinnen in seine Gruppe aufgenommen zu haben. Es mutet tatsächlich etwas befremdlich an, da so interessante Autorinnen wie Hilde Spiel, Hermynia Zur Mühlen und Anna Gmeyner ausgeschlossen wurden; die erstere wegen ihres geringen Alters und fehlender schriftstellerischer Laufbahn vor ihrer Emigration, die zweite wegen des späten Datums ihrer Auswanderung, die letztere wird nicht einmal erwähnt. Aber da komparative Analysen, um ausführbar und lesbar zu sein, sich schließlich auf eine relativ kleine Anzahl von Beispielen beschränken müssen, kann man dem Autor Auslassungen verzeihen. Das Zusammentreffen von privatem Lebenslauf mit dem politischen Geschichtsverlauf zu einem diese fünf ausgewählten Literaten vereinenden Prinzip zu erheben, wie Dove es am Ende des ersten Teils seiner Einleitung tut, mutet allerdings etwas naiv an, da ja dieser Zusammenstoß der Privatsphäre mit der nationalsozialistischen Politik gerade der Grund für die Emigration der meisten Deutschen und Österreicher nach Großbritannien war.

Auf der anderen Seite zeigt die Einleitung den britischen kulturellen Rahmen, mit dem sich die Exilanten in den dreißiger Jahren auseinander setzen mussten - ein Aspekt, den viele andere Studien vermissen lassen. Die folgenden sechs Kapitel bilden ein organisches Ganzes: Sie sind chronologisch angeordnet und behandeln die Themen der fünf Karrieren vor dem Exil, die Zeit des Wartens (1933-36), die Entscheidung zwischen Integration und Isolation zur Zeit des britischen Appeasement (1936 - 1939), die Existenz der Exilanten als 'enemy aliens' (1940 - 1941), die Periode der Entscheidung für oder gegen den Sprachwechsel (1941 -1945) und abschließend die Rezeptionsgeschichte der Exilliteratur in den beiden Teilen Deutschlands nach 1945.

Die ersten fünf Kapitel sind in Abschnitte unterteilt, die sich mit den einzelnen Autoren befassen. Hier zeigt sich die Gründlichkeit der Forschung Doves gepaart mit seinem flüssigen Stil. Dem Autor gelingt es, dem Lesepublikum das Leben der fünf Schriftsteller durch akribisch dokumentierte Details und Auszüge aus deren Werken näher zu bringen. Leider geht der britische kulturelle Kontext, in dessen Schatten die Autoren sich befanden, in diesen Kapiteln etwas verloren; der Darstellung des historischen und politischen Zusammenhangs wird der Vorrang gegeben.

"Journey of No Return" ist ein wichtiger Beitrag zur Erforschung des Exils in Großbritannien. Im abschließenden Kapitel zeigt sich Richard Dove vorsichtig optimistisch im Bezug auf die Chance nicht-englischsprachiger Autoren, von der englischen Literaturgeschichte wahrgenommen zu werden. Den Exilautoren der dreißiger und vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts ist dies in den seltensten Fällen gelungen. Weder Stefan Zweig noch Robert Neumann oder Alfred Kerr sind in Großbritannien heute bekannt, über Karl Otten oder Max Herrmann-Neiße wussten selbst an der Exilforschung Interessierte bis dato wenig. Richard Dove ist es gelungen, diese Lücke zu füllen. Es bleibt zu hoffen, dass anderen Schriftstellern und Schriftstellerinnen möglichst bald dieselbe Beachtung geschenkt wird.

Titelbild

Richard Dove: Journey of No Return. Five German-speaking Literary Exiles in Britain, 1933-1945.
Libris Verlag, London 2000.
300 Seiten, 63,60 EUR.
ISBN-10: 187035236X

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