Irgendwie einfach bä bä

Der 22. Materialienband der Frankfurter Frauenschule

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Vorwort zum 22. Materialienband der Frankfurter Frauenschule mit dem Titel "Begehren Denken" stellen die beiden Herausgeberinnen die These auf, "daß erst das Begehren das Denken befreien" könne, "ja daß es kein Denken ohne Begehren" gebe. Der zweite Teil der These ist allerdings nicht so neu, wie die Autorinnen vielleicht glauben. Denn genau das vertrat bereits Schopenhauer vor mehr als 180 Jahren. Ihr erster Gedanke jedoch kehrt das von ihm behauptete Verhältnis zwischen Begehren - "Willen" sagte der Radikalpessimist - und Denken um, war er doch der Auffassung, dass die denkende Vernunft nichts weiter sei, als der Sklave des stets begehrenden Willens. Zum Verhältnis von Begehren und Denken erfährt man in den ersten drei von insgesamt sechs Beiträgen allerdings weniger als über den 'Generationenkonflikt' zwischen feministischen 'Müttern' und (nicht-)feministischen 'Töchtern'. Mit Vera Moser, Sonja Buckel und Marlene Riedel kommen indes nur die 'Töchter' zu Wort.

Riedel, grüne Stadtverordnete in Frankfurt, verficht eingangs die These, dass es "eine Generation junger Feministinnen" gebe und führt uns sogleich in die Niederungen auch grüner Parteipolitik. "Wir brauchen", so meint sie, "Frauen, die lustvoll auch innerparteiliche Gegner an die Wand spielen; Frauen, die lustvoll Personalspielchen bar jeglicher Begründung spielen, mit anderen Worten Frauen die Lust an der Macht haben". Dass der Wille zur Lust an der Macht nicht unstrittig ist, macht der Beitrag Barbara Kösters deutlich, die sich daran erinnert, dass sie von der Parole "Lust auf Macht!" "total befremdet" war. Auch Riedel ist sich darüber im Klaren, dass sie "irgendwie einfach bä bä" klingt. Aber, so meint sie, das sei sie nicht. Denn Macht sei schließlich "kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, mit dem verantwortlich umgegangen werden muss." Der gute Zweck also heiligt die schlechten Mittel und Politikerinnen sollen sich so mies verhalten, wie sie es ihre männlichen Kollegen tun sehen, um dann alles besser machen zu können.

Auch Sonja Buckel, Herausgeberin der traditionsreichen Frankfurter Studierendenzeitschrift "Diskus", wirft die Frage auf, ob es eine "neue feministische Generation" gibt und stellt zunächst klug fest, dass die "Fixierung auf Generationen" dann falsch wird, wenn der "gesellschaftliche Hintergrund ausgeblendet wird und unterschiedliche Ansätze unvermittelt gegenübergestellt werden". In groben Strichen, aber zutreffend, skizziert sie das Bild der politischen Entwicklung der Protestbewegung in den 70er Jahren. Mit den neueren feministischen Ansätzen dekonstruktivistischer Provenienz und ihrer "postmodernen Affirmation" hat sie freilich ihre Schwierigkeiten. Um die unliebsamen Theorien hinwegzufegen, kramt sie einen besonders alten Besen aus der Rumpelkammer des dialektischen Materialismus hervor, der allerdings gar nicht mehr gut kehren will: den Idealismusvorwurf. Im Weiteren beklagt sie "das Avantgarde-Gehabe", die "kryptische Sprache" und den "hippen Habitus des 'Dekonstruktivismus' und der 'Postmoderne'". All das raube ihr "wirklich den letzten Nerv". Womit sie sich offenbar der theoretischen Auseinandersetzung mit Postmoderne und Dekonstruktivismus enthoben fühlt. Stattdessen empfiehlt sie mit Hans-Jürgen Krahl, dem früh verstorbenen Lieblingsschüler Adornos, kurzerhand "Aktionen", die der "quantitativen und klassenspezifischen Verbreiterung der Massenbasis" dienen - was weniger zukunftsweisend als allzu gestrig klingt.

Positiv hervorzuheben sind die beiden Beiträge der Herausgeberinnen. Rendtorff bezieht gegen das Denken in hierarchischen Dualismen und das mit ihm verbundene "Biologisieren oder Naturalisieren" der "weiblichen Position" in der pädagogischen Theorie Stellung und Köster geht mit Hilfe Freuds und Lacans den "umgangsprachlichen feministischen Assoziationen" von Lust und Begehren auf den psychoanalytischen Grund.

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Frankfurter Frauenschule (Hg.): Begehren Denken.
Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt a. M. 2000.
118 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 389741029X

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