Das Logbuch der "Otto Hahn”

Lothar Günther Buchheim schließt ein Kapitel deutscher Seefahrt ab

Von Lars StrombachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lars Strombach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine seltsame Reise auf dem einzigen deutschen Nuklearschiff "Otto Hahn" führt die beiden Protagonisten von Buchheims Romanen "Das Boot" und "Die Festung" zum letzten Mal zusammen.

Beide können streng genommen nicht als Romane gelten und ihre Figuren sind alles andere als fiktiv. So genau werden sie geschildert, dass der Autor meist auf die Nennung ihrer Namen verzichten kann. Lothar Günther Buchheim zeichnet nahezu ausschließlich selbst Erlebtes auf und setzt sich damit auseinander.

Das bereits im September 2000 erschienene Spätwerk des heute 83jährigen Abenteurers, Malers, Sammlers, ehemaligen Kriegsberichterstatters und Schriftstellers schildert die Reise zweier Männer auf einem ungewöhnlichen Schiff. Die Seereise im Jahre 1978 ist in mehrfacher Hinsicht eine Abschiedsreise, und so konnte Buchheim keinen besseren Titel für den Abschluss seiner Seefahrts-Trilogie finden, die er mit dem Roman "Das Boot" 1973 begonnen und 1995 mit "Die Festung" fortgesetzt hat. Es ist ein Abschied zweier Männer, die wissen, dass sie sich nach dieser Reise niemals wieder sehen werden, ein Abschied von der faszinierenden See, ein Abschied von einem seltsamen Schiff, das seine vorerst letzte Fahrt nach Südafrika unternimmt, zugleich ein Abschied von der Kernenergie als Schiffsantrieb in der zivilen Seefahrt.

Die Geschichte liest sich zunächst ein wenig schleppend. Doch sobald das Schiff vom Rotterdamer Hafen abgelegt hat zu seiner langen Fahrt, lässt man sich gern darauf ein. Viele Dinge, vor allem die wesentlichen, wirken anachronistisch, angefangen vom "Alten", dessen Biographie weitgehend unbekannt bleibt, dessen Persönlichkeit aber so genau dargestellt ist, dass man ihn seit Jahren zu kennen glaubt. Nach der Lektüre des Buches weiß der Leser nicht, wer der Alte ist, aber dafür umso genauer, was für eine Persönlichkeit er ist.

Der Ich-Erzähler ist sich bewusst, dass diese Seefahrt mit dem väterlichen, vorausschauenden, extrem zuverlässigen, aber auch wortkargen, scheuen, manchmal etwas eigenbrötlerisch wirkenden Kapitän die letzte Chance ist, die gemeinsamen U-Boot-Fahrten noch einmal zu durchleben.

Der Alte ist ein Fossil aus der Zeit der Segelschifffahrt, der zwar im Krieg den Kommandanten anderer U-Boote einiges an Erfahrung voraus hatte, aber mit den Entwicklungen der Nachkriegszeit nicht zurecht gekommen ist. Die anderen Personen an Bord des Schiffes sind nur Komparsen, zum Beispiel der unfähige, dafür ständig im leeren Frachtraum Volleyball spielende Bordarzt, die aufreizend gekleideten, aber unattraktiven Stewardessen (überhaupt: Frauen an Bord, ein Gräuel für jeden gestandenen Seemann), sowie der Funker, der sich beim Alten über einen Joghurt mit abgelaufenem Verfallsdatum beschwert. Ums Personal kümmert sich der Alte nur ungern, er erklärt da schon lieber, woher die Rossbreiten ihren Namen haben: es sind die windstillen Regionen auf dem Meer, wo zur Zeit der Segelschifffahrt die verdursteten Pferde über Bord geworfen wurden.

Der Ich-Erzähler und der Seebär also: beide haben sich viel zu erzählen: Der eine flüchtet von seinem Heimathafen an der französischen Atlantikküste mit einem kaum schwimmfähigen U-Boot-Wrack ins norwegische Bergen. Er löst dort unter Aufsicht der Engländer den Stützpunkt auf, kommt ein Jahr nach Kriegsende in die Heimat zurück und wird zunächst Friedhofsgärtner, bevor er wieder mit der Seefahrt anfängt. Der andere flüchtet nach Feldafing, wird von den Amerikanern als Polizeichef eingesetzt und kommt ins Gefängnis, weil er Benzin unterschlagen haben soll.

Die "Otto Hahn", 1968 in Dienst gestellt und bis heute das einzige Atomschiff unter deutscher Flagge, konnte in ihrer zehnjährigen Einsatzzeit niemals wirtschaftlich betrieben werden. Sie wurde zum Frachter mit konventionellem Antrieb umgebaut - und verkauft. Buchheims Roman bietet dem technisch interessierten Leser eine Fülle von Informationen über die besondere Konstruktion des Schiffes. Sie sollte im Falle einer Havarie für eine gewisse Sicherheit sorgen, verhinderte aber, dass das Schiff erfolgreich im harten Wettbewerb um Ladung eingesetzt werden konnte. Die meiste Zeit fuhr das Schiff mit den seltsamen Aufbauten leer, wenn es überhaupt fuhr.

Mit dem Roman heißt es auch Abschied nehmen von der "Otto Hahn", einem Kuriosum der deutschen Seefahrtsgeschichte.

Titelbild

Lothar Günther Buchheim: Der Abschied. Roman.
Piper Verlag, München 2000.
560 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3492042732

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