Hauptsache kein Nazi

Berliner Subkultur

Von Dana RisseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dana Risse

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ahne gehört zu einer Gruppe junger Berliner Autoren, die als "Surfpoeten" in Clubs und Bars Alltagsprosa zum Vortrag bringen. 1968 in Ostberlin geboren macht er sich über die Nach-Wende-Gesellschaft in Ost und West lustig - über Spießer und Anarchos, Wessis und Ossis.

Sein sprachlicher Stil erinnert an einen Schulaufsatz, ist aber in seinem Diletantismus genial: "Wie ich mal dachte, dass es nötig sei zu erklären, wie man eine perfekte Geschichte schreibt", lautet die Überschrift seines ersten Kapitels.

Seinen Protagonisten benennt der Autor nach sich selbst Ahne. Ähnlichkeiten existieren: Beide kommen aus dem Berliner Osten und sind Vater eines Sohnes. Doch identisch sind sie nicht: haarsträubende Geschichten, wie in dem Kapitel "Wie ich einmal die Welt rettete" können höchstens der Phantasie entspringen, keinesfalls aber der Realität.

Der Ausgangspunkt der Erzählung ist eine Wohnung am Prenzlauer Berg. Es klingelt, ein Blick aus dem Fenster... Von da aus gibt der Protagonist dem Leser seinen Blick auf die Welt und Geschichten aus seinem Leben zum Besten. Zu Beginn stehen er und die linke Szene im Viertel im Vordergrund. Später folgen Kapitel wie z. B. über Erika in der Provinz, die den Bezug zum Anfang längst verloren haben. So entwickelt das Buch eine Form zwischen Episodenroman und einer Kurzgeschichtensammlung.

Ahne zählt sich selbst zu der "Generation Y", die zwar nahezu zeitgleich neben der "Generation Golf" aufwuchs, aber das genaue Gegenteil derselben darstellt. Geld und Karriere sind nicht wichtig; wichtig ist es, kein Spießer und vor allem kein Nazi zu sein.

Verdeutlicht wird diese Lebenseinstellung durch die Teilnahme an der 1. Mai-Demonstration im "Votzenblock", dem, laut Legende im Anhang, "militärischen Arm der Liga für Kampf und Freizeit", in dem männliche und weibliche "Votzen" für eine bessere Welt kämpfen. Der politische Enthusiasmus endet letztlich ganz spießig bei einem Kumpel vor dem Fernseher.

Ohnehin ist die eingeforderte Revolution nicht so erstrebenswert: "Gerade erst mal Revolution gemacht und gleich wieder arbeiten. Nee! Dann doch lieber schlau sein, und für so'ne Fälle auch direkt die Konterrevolution im Rucksack mitführen. Dann hat man's eben mal versucht. Ist grandios gescheitert. Märtyrer und so. Die jungen Mädchen werden noch Jahrhunderte später T-Shirts mit unseren Konterfeis drauf tragen..." Ahne gehört zu den Anarchos, die zwar für die Anarchie sind, aber wenn sie es sich recht überlegen, sie nicht gerade im Kreise der "wahren Aktivisten" genießen möchten.

Natürlich ist er kein Spießer, denn der Kühlschrank ist fast leer - und was er beinhaltet, schimmelt vor sich hin. Andererseits fühlt er sich in seiner Privatsphäre gestört, wenn es ohne Vorankündigung bei ihm klingelt. Diese Inkonsequenz müsste die Hauptfigur nicht unbedingt sympathisch erscheinen lassen - durch die Offenheit, mit der sie sich selbst entlarvt, tut sie es aber.

"Wie ich einmal die Welt rettete" wird alle diejenigen amüsieren, denen eine Subkultur, wie sie Ahne beschreibt, vertraut ist, oder die ihr zumindest keine ablehnende Haltung entgegenbringen. Alle diejenigen, die davon überzeugt sind, dass linke Hausbesetzer und Demonstranten sowieso nur Rabauken sind und alle Ossis nur jammern, werden sich bestätigt fühlen. Das Buch lebt nicht davon, dass es eine Einstellung zum Leben erklärt oder rechtfertigt, sondern es spricht die an, die sich und ihr Umfeld in Teilen wiedererkennen. Wer davon sich nicht allzu ernst nimmt, wird sich prächtig amüsieren.

Titelbild

Ahne: Wie ich einmal die Welt rettete.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001.
160 Seiten, 7,90 EUR.
ISBN-10: 3462029916

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