Die Expansion medizinischen Wissens. Der "Pschyrembel" im Jahr 2000 und sein Vorläufer von 1894

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1894 erschien in Leipzig das "Wörterbuch der klinischen Kunstausdrücke. Für Studierende und Ärzte." Das Bändchen umfasste 148 Seiten und hatte einen einzigen Autor: den Direktor einer Pflege-Anstalt im schlesischen Freiburg Otto Dornblüth. "Die wissenschaftliche Medizin verwendet heute soviel nötige und unnötige Fremdwörter und Kunstausdrücke, daß es auch dem Belesenen schwer wird, sie im Gedächtnis zu bewahren." So begründete er gleich zu Beginn die Notwendigkeit seines Nachschlagewerks. Aus ihm ging der Klassiker der medizinischen Wörterbücher, der "Pschyrembel", hervor, benannt nach dem Herausgeber 19. bis 254. Auflage Willibald Pschyrembel. Das "Klinische Wörterbuch" erscheint etwa alle fünf Jahre neu, verändert sich dabei ständig und wächst. Ein Drittel der 35 000 Artikel wurden für die jüngste Auflage umgeschrieben. 1000 Einträge sind neu hinzugetreten. An den inzwischen gut 1700 Seiten der jüngsten Auflage haben etwa 200 wissenschaftliche Mitarbeiter geschrieben. An die Stelle eines Herausgebers ist eine ganze Redaktion getreten.

Seit 1998 erscheint unter dem Namen "Pschyrembel" neben dem klinischen, dem naturheilkundlichen und gynäkologischen zusätzlich ein eigenes "Therapeutisches Wörterbuch". Die 2. Auflage aus dem Jahr 2001 umfasst bereits 1000 Seiten. Setzte das Buchformat der sichtbaren Expansion jenes medizinischen Wissens, das sich in seiner Terminologie kristallisiert, gewisse Grenzen, so ermöglichen die elektronischen Publikationsformen heute nahezu grenzenloses Wachstum. Das Klinisch-therapeutische Wörterbuch auf CD-ROM basiert auf den vier genannten Bänden, ist jedoch eine ihnen gegenüber eigenständige Datenbank der Medizin mit mehr als 100000 Stichwörtern.

Der Pschyrembel ist in allen Versionen zu einer unverzichtbaren Institution geworden. In seiner Entwicklung ist er zugleich eine ungemein wertvolle Quelle der Medizingeschichte. Direkt vor Augen hat man da etwa den Bedeutungsverlust des Begriffs "Melancholie". Ihm galt vor hundert Jahren noch einer der längeren Einträge. Jetzt umfasst er knapp drei Zeilen. Verwiesen wird allerdings auf "Depression", und hier findet man von der "agierten" bis zur "zyklothymen" über zehn Arten unterschieden. 1894 waren es ganze vier Substantive, die den Begriff paraphrasierten: "Abspannung, Verstimmung; Knocheneindruck, Vertiefung".

Neu aufgenommen wurde der Artikel BSE, und damit man nicht alles blind glaubt, was Medizin an Wissen und Begriffen kreiert, ist die in der 255. Auflage von 1983 erstmals aufgetauchte "Steinlaus" erhalten geblieben. Das Wissen auch über sie expandierte.

Thomas Anz

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Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch 258., neu bearbeitete Auflage mit 2052 Abbildungen und 250 Tabellen bearbeitet von der Wörterbuch-Redaktion des Verlages unter der Leitung von Helmut Hildebrandt.
De Gruyter, Berlin und New York 1998.
1745 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3110148242

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Willibald Pschyrembel: Klinisch-Therapeutisches Wörterbuch Version 1.0.
De Gruyter, Berlin und New York 1999.
1 CD-ROM, 167,70 EUR.
ISBN-10: 3110166933

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Otto Dornblüth: Wörterbuch der klinischen Kunstausdrücke. Für Studierende und Ärzte. Verlag von Veit & Comp., Leipzig 1894. Unveränderter fotomechanischer Abdruck.
De Gruyter, Berlin und New York 1999.
148 Seiten, nicht im Handel.,

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Willibald Pschyrembel: Therapeutisches Wörterbuch 2., überarbeitete und ergänzte Auflage.
De Gruyter, Berlin und New York 2001.
991 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 3110168286

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