Tolle Idee, schlechte Umsetzung

Volker Bartschs spätes Romandebüt verspricht mehr als es halten kann

Von Kristina HabermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kristina Habermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Klosterzwiebel" - welch sonderbar klingender Titel. Die gesamte Handlung spielt sich in einem Kloster ab, mit dieser Vermutung liegt der Leser schon einmal richtig und auch die Zwiebel findet bereits auf den ersten Seiten des Romans Erwähnung. Josef, einer der Insassen, pflegt zu jeder Mahlzeit ein paar Scheiben einer rohen Zwiebel zu verspeisen. Er ist es dann auch, der die Besonderheit und die Schönheit dieses Gemüses beschreibt: "Von innen heraus wächst Schale auf Schale. Außen vertrocknen diese Blätter, werden hart und hässlich und beschützen das Innenleben. Wenn es sein muss jahrelang. Es gibt keinen Kern. Und in den Schalen ist alles an Nahrung, was eine neue Pflanze braucht."

Aus diesen Worten über die Zwiebel gilt es eine Verbindung zum Klostergebäude herzustellen. So richtig will das am Anfang noch nicht gelingen, und gänzlich erklären wird sich diese etwas schwerfällige Metapher auch erst zum Ende des Romans hin, aber das ist ja nicht das Ungeschickteste. Auf diese Weise hält der Autor den Leser vielleicht dann doch noch bei der Stange, denn großen Anreiz zum Weiterlesen bietet sein Buch sonst nicht, obgleich Konzept und Klappentext wirkliche Dramatik verheißen: Vier Personen schildern die Geschehnisse, die sich innerhalb von fünf Tagen in einem Kloster ereignen. Dasselbe Ereignis wird somit wieder und wieder von neuem aus jeweils anderer Perspektive erzählt. Eine interessante Zwiebelidee. Nur leider wirkt die Darlegung des ewig Gleichen vielmehr ermüdend, als dass sie spannend oder gar erkenntnisfördernd wäre.

Die Bewohner des Klosters nennen sich Klosterlinge und weilen nicht, wie man vielleicht geneigt ist anzunehmen, aus religiösen Beweggründen abseits der sozialen Welt. Es handelt sich um Menschen, die für eine Zeit aus ihrem Alltagsleben, aus der Zivilisation, ausgestiegen sind. Ein jeder von ihnen ist auf der Flucht vor seiner "Mittelmäßigkeit", ein jeder auf der Suche "nach der Substanz seiner eigenen Existenz". Es zeigt sich bald, dass es vor allem ganz individuelle Zukunftsängste sind, die die Bewohner dazu brachte, sich im Kloster einzurichten. Sie alle fürchten sich vor der Rückkehr in die Realität und zögern sie so lange als möglich hinaus.

Als allerdings der älteste und etwas sonderbare Klosterinsasse Franz verstirbt, lässt bald darauf der Finanzier des Projekts verkünden, er werde die Zahlungen einstellen, so dass sich ein jeder gezwungen sieht, für eine neue Zukunft zu planen. Zusätzlich bringt die Ankunft eines neuen Gastes Bewegung in die Stagnation der Klosterwelt. Dieser Neuankömmling wird - nicht ohne vorher noch eine kurze Liebesaffäre unterhalten zu haben - wenig später erschlagen im Wald aufgefunden.

Je mehr sich der Roman dem Ende zuneigt, umso mehr geschieht alles Knall auf Fall. Gleichwohl werden dem Leser einige Dutzend flauer Seiten beschert. Bereits zu Beginn ist die Liebe des 53-jährigen Autors zum Konjunktiv nicht zu überlesen und der Gebrauch nimmt derartige Ausmaße an, dass er nur noch störende Funktion hat und nichts von der Eleganz vermittelt, die der Konjunktiv einem Text verleihen kann. Der Text wirkt holprig, und es finden sich Sätze wie: "Bier gab es nur aus Flaschen, zu essen Erdnüsse und Gäste höchst selten."

In seinem späten Romandebüt findet Bartsch zu keinem konsequenten Stil. Das mag nun daran liegen, dass er vier unterschiedliche Personen zu Wort kommen lässt und sicherlich die Intention verfolgte, jeder einzelnen ihren eigenen Ausdruck geben zu wollen. Das gelingt ihm leider nicht. Mal bemüht er sich merklich um eine höchst moderne, umgangssprachliche Ausdrucksweise, um wenig später dann in das genau andere Extrem zu verfallen und sich in einer überaus überladenen, poetisch anmutenden, aber kitschig wirkenden Prosa zu verirren. Spricht er eben noch vom "Pinkeln in den Abfluss", führt er wenig später "ein Brot zum Munde".

Neben der "Klosterzwiebel"- Metapher wollen auch viele der übrigen Metaphern nicht richtig glücken: "Und ich wusste sofort, dass ich mich auf seine Vorgaben einlassen musste und nicht eine Sekunde die Haltung verlieren durfte, wenn ich nicht weggeblasen werden wollte wie eine Fasanenfeder im Morast unten am Fluss im Herbstwind."

So viel Spannung versprochen, so viel Enttäuschung produziert. "Die Klosterzwiebel" möchte vieles auf einmal sein: Ein bisschen Krimi, ein bisschen Liebesgeschichte, ein bisschen Science-Fiction und ein bisschen ernste Vergangenheitsbewältigung. Und sie ist von allem ein bisschen zu viel oder ein bisschen zu wenig.

Titelbild

Volker Bartsch: Die Klosterzwiebel.
Blaupause Verlag, Hamburg 2000.
288 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3933498066

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