Verdi für Anfänger

Barbara Meiers neue Rowohlt-Monographie

Von Christina UjmaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Ujma

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die neue Rowohlt Monographie über Verdi, die Hans Kühners Verdi-Darstellung aus dem Jahr 1961 ersetzt, stammt von Barbara Meier. Kühners Mongraphie hatte zwar den kultur- und musikgeschichtlichen Hintergrund von Verdis Opern sehr gut ausgeleuchtet, sich andererseits aber einer Heldenverehrung befleißigt, die heute wenig zeitgemäß erscheint.

Meiers Verdi-Porträt wendet sich an den interessierten Laien mit wenig musikologischen und historischen Kenntnissen. Der Charakter der Rowohlt-Monographien verlangt knappe Darstellungen, und innerhalb dieses Rahmens gelingt es Meier hervorragend, den Lesern Person und Werk nahezubringen.

Sie beschreibt den Aufstieg des musikbegabten Gastwirtsohns aus Le Roncole bei Busseto ohne Sentimentalität. Mit der gleichen sachlichen Haltung schildert sie seinen Kampf um Anerkennung in Mailand, der zeitweise durch den Tod seiner beiden Kinder und seiner Ehefrau etwas an Verve verliert. Nach ersten Erfolgen wird er Teil der Künstlerszene des italienischen Risorgimento, die von der Verfasserin zumindest ansatzweise skizziert wird. Sie schildert, wie Verdi, um seinen Ruhm zu festigen, in den frühen Jahren wie am Fließband komponiert, immer im Stress, immer gereizt und immer krank ist. Mit der Oper "Macbeth" (1847), auf die Meier ausführlich eingeht, schaffte er den europäischen Durchbruch.

Verdis Opern wurden von Anfang an politisch dem Lager des Risorgimento zugeordnet, was ihm permanenten Ärger mit der Zensur eintrug. 1848/49 wurde Verdi zum ausgesprochenen Parteigänger der Revolution. Nach deren Niederschlagung setzte er in seiner Entäuschung alles daran, sein adliges und bürgerliches Publikum durch kühne Stoffe zu provozieren. Damit hatte er durchschlagenden Erfolg, "Rigoletto" (1851) porträtiert den herrschenden Herzog als Wüstling und zeigt das exemplarische Scheitern Rigolettos, der glaubt, er könnte sich durch äußere Anpassung ein privates Glück erkaufen. "Der Troubadour" (1853) schildert die absolute Hilflosigkeit des Individuums angesichts der Macht von Adel und Kirche. In "La Traviata" (1853) dagegen ist die Hauptfigur eine Edelnutte, deren Liebesfähigkeit positiv gegen die kalte Moral des Bürgertums abgesetzt wird.

Auch im persönlichen Leben trotzt Verdi der bürgerlichen Moral, mit seiner Partnerin Giuseppina Strepponi lebte er lange unverheiratet zusammen, was ihnen in seinem Heimatort Busseto viel Kritik einbrachte. Wohl auch aus diesem Grund ging er 1852 einen Vertrag mit der Grand Opéra in Paris ein, wo es sich leichter lebte. Die Bindung an das ,erste Theater der Welt' führte in den folgenden Jahren zu einer Pendelexistenz zwischen Paris und Italien, wo sich Verdi in der Nähe von Busseto das Gut Sant'Agata gekauft hatte. Verdi war durch seine Arbeit nicht nur berühmt, sondern auch reich geworden. Dem erfolgreichen Verdi wird Meier allerdings weniger gerecht, vor allem die mythische Statur, die er in den letzten Jahren des italienischen Risorgimentos gewann, wird kaum erwähnt. Der Name V.E.R.D.I wurde zur Abkürzung für die patriotische Formel ,Vittorio Emmanuele e D'Italia', der Ruf ,Viva Verdi' gewann also doppelte Bedeutung. Nachdem das Risorgimento schließlich in die Staatsgründung mündete, wurde Verdi Abgeordneter des ersten italienischen Parlamentes, ein Abschnitt seines Lebens, auf den die Biographin ebenfalls nur knapp eingeht.

Etwas detailierter stellt Meier die Querelen der späteren Jahre dar, seine Kontroversen mit der jüngeren Komponistengeneration und die Rivalität mit Wagner. Die späten Kompositionen, zu denen die Opern "Aida" (1870), "Don Carlos" (1884), "Otello" (1887) und "Falstaff" (1894) gehören, werden kenntnisreich und ausführlich analysiert.

Barbara Meiers Verdi-Biographie ist ausgesprochen benutzerfreundlich, sie ist nicht nur hübsch illustriert, sondern wirklich informativ. Der historische Rahmen wird durch in den Text montierte Zeittafeln verdeutlicht, Verdis Wirkung und Rezeption durch Zitate von Zeitgenossen. Im Anhang befinden sich eine Zeittafel, ein Werkverzeichnis und eine sehr aktuelle Auswahlbibliographie. Damit ist Meiers Biographie nicht nur die ideale Lektüre für Verdi-Einsteiger, sondern bietet auch Fortgeschrittenen eine kompakte und informationsreiche Lektüre.

Titelbild

Barbara Meier: Giuseppe Verdi.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000.
160 Seiten, 7,60 EUR.
ISBN-10: 3499505932

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