Transatlantische Beziehungskurven

Upton Sinclairs Briefwechsel mit dem Malik-Verlag

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass "Amerika" einmal ein Kampf- und Freiheitsruf der europäischen Linken war, ist in den Wirren der Geschichte, in Welt- und Kaltem Krieg, Exil- und Imperialismus-Debatte weitgehend untergegangen. Einen Ausschnitt dieser kurvenreichen transatlantischen Beziehungslandschaft rufen die knapp 200 Briefe in Erinnerung, die sich der erfolgreiche Romancier Upton Sinclair (1878-1968), seine deutsche Übersetzerin Hermynia Zur Mühlen (1883-1951) und der Malik-Verleger Wieland Herzfelde (1896-1988) schrieben. Der Zeitraum der Korrespondenz (1919-1950) umfasst nicht nur welthistorische Wendemarken, vielmehr bieten die Briefe auch ein Panorama kulturpolitischer Zerreißproben jener Epoche. Während sich z. B. der Malik-Verlag als Vorposten der Revolution verstand, beharrte sein wichtigster Autor Upton Sinclair auf der Reformierbarkeit von Kapitalismus und Demokratie und vor allem auf Eigenständigkeit der Literatur, weshalb ihn die marxistische Linke als "Gefühlssozialisten" diffamierte. Sein typisch amerikanischer Pragmatismus hingegen bewegte Sinclair dazu, sich 1934 in Kalifornien für den Gouverneursposten zu bewerben. Zu erheblichen Irritationen führte es, als dem Autor hinterbracht wurde, dass seine Übersetzerin, die selbst als proletarische Schriftstellerin hervorgetreten war, seine Texte im Deutschen propagandistisch verschärfte. Da sich Verleger Herzfelde auf die Seite seines Autors schlug und dessen Forderung nach professioneller Übersetzung unterstützte, kam es schließlich zum Bruch mit der Übersetzerin. Diese wiederum unterstellte dem Verlag, der 1925 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, großbürgerliche Winkelzüge. Als Ersatzübersetzer sprang übrigens der von Herzfelde als "Genosse" apostrophierte Elias Canetti ein. Die Antifaschistin Zur Mühlen, geborene Gräfin von Crenneville, konvertierte im englischen Exil zum Katholizismus und starb dort 1951 völlig mittellos. Auch Sinclair offenbarte eine beklemmende Naivität, als er trotz Bücherverbrennung weiter an einer Verbreitung seiner Werke in Deutschland glaubte. Als zukunftsträchtig begrüßte er schließlich die sowjetisch-amerikanische Zusammenarbeit in der Anti-Hitler-Koalition, ein Irrtum, wie wir heute wissen. Wieland Herzfelde versucht auch im Exil, zuerst in Prag, dann in New York, verlegerische Aktivitäten zu entfalten, jedich ohne großen Erfolg. Nachdem Sinclair, dem er nie persönlich begegnete, eine finanzielle Unterstützung ablehnte, wurde Herzfelde Briefmarkenhändler. 1949 bot ihm die gerade gegründete DDR eine Professur in Leipzig an, wo er 1988 starb.

So dokumentiert der hervorragend kommentierte Briefwechsel auch die Höhen und Tiefen menschlicher Beziehungen, Hoffnungen und Illusionen in schwierigen Zeiten, und betritt damit ureigenes Terrain der Literatur.

Titelbild

Upton Sinclair / Wieland Herzfelde / Hermynia Zur Mühlen: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen... Briefe 1919-1950.
Herausgegeben von Walter Grünzweig und Susanne Schulz.
Weidle Verlag, Bonn 2001.
368 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 393113556X

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