Fahndung nach einer Mumie

"Die Nostalgie der Drachen", ein europäischer Roman des griechischen Schriftstellers und Kritikers Demosthenes Kourtovik

Von Evangelia KaramountzouRSS-Newsfeed neuer Artikel von Evangelia Karamountzou

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der neue Roman des Großkritikers und Schriftstellers Demosthenes Kourtovik, im März 2000 in Athen und jetzt auch deutscher Übersetzung erschienen, wurde in Griechenland hymnisch gefeiert. Nach den Nobelpreisträgern Seferis und Elytis werde das erzählerische Schweigen von einem echten Romancier aufgehoben, der europäischen Standards entspricht und doch seine griechische Eigenart bewahrt. Da sind, zumindest in einer Hinsicht, Zweifel angebracht.

"Die Nostalgie der Drachen" steht irgendwo zwischen Krimi, Abenteuerroman und philosophischem Thriller. Formen des linearen Erzählens werden programmatisch aufgehoben und durch schnelle, filmähnliche Schnitte dynamisiert. Das (fiktive) Fernsehgespräch, der (fingierte) Artikel einer Lifestyle-Zeitschrift, eine (erfundene) E-mail oder das Gespräch mit einem Phantom unterbrechen die Handlung. Die Vielfalt der Stile hält den Leser bis zum Schluss in Atem.

Der Roman steht unserer Gegenwart ganz nahe: Mitte der neunziger Jahre begibt sich der Archäologe Ion Drakas, Leiter des Athener Museums für Frühgeschichte, auf der Suche nach einer seltenen Mumie. Er bereist Europa und fahndet in Genua, Münster, Kopenhagen, Hamburg, Berlin, Wroclaw oder Sarajevo. Sein Ziel ist es, die uralte "Ibykus"-Mumie zu finden, zugleich die Leiche des ältesten Mordopfers der menschlichen Geschichte. Sie ist aus seinem Museum entführt worden. Zusammen mit der jugendlichen Kommissarin Andromachi Koutroumba geht Drakas auf die Jagd nach dem Ibykus-Phantom, eine Jagd, die metaphysische Dimensionen annimmt. Denn auch Sekten und andere dubiose Organisationen nehmen die Mumie für sich in Anspruch.

Milan Kundera hat die These vertreten, dass sich der europäische Roman einerseits auszeichne durch seine anspruchsvolle kompositorische Struktur (bei Kourtovik ein lustvolles Zapping zwischen Stilen und Gedankenwelten) und andererseits durch seinen aufklärerischen Impetus. Der Bildungsroman liegt bei Kourtovik immer mit im Gepäck, und es ist ein Genuss, mit dem Autor in die entlegensten Wissensgebiete vorzustoßen. Erwartungen an einen Bestseller in der Nachfolge Umberto Ecos entspricht er damit gänzlich. Kourtoviks Kritiker Vassilis Vassilikos wies nachdrücklich auf diese Qualität hin.

Dem ebenso polykulturellen wie multiglotten Buch "Die Nostalgie der Drachen" eignet keine spezifisch griechische Note, hier ist jemand aus der Provinz in die Weltliteratur aufgebrochen. Dass er auch jenseits der Grenzen seines Landes und seiner Sprache gelesen wird, dafür sorgt nun auch die deutsche Übersetzung.

Titelbild

Demosthenes Kourtovik: Die Nostalgie der Drachen. Roman.
Übersetzt aus dem Griechischen von Gabi Wurster.
Axel Dielmann Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
368 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3933974135

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch