Von Abhängigkeit bis Zulureich

Das erste Afrika-Lexikon in deutscher Sprache

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor fast 100 Jahren schickte Joseph Conrad seinen Anti-Helden Christopher Marlowe ins "Herz der Finsternis" - nach Afrika. Marlowe findet dort Mr. Kurtz, den wahnsinnigen weißen Leiter eines Handelspostens, und namenlose, dahinsiechende schwarze Arbeiter - die erschreckende Bilanz des Kolonialismus. Conrads ätzender Kommentar zur Kolonialherrschaft ist inzwischen ebenso historisch geworden wie diese selbst. Wir leben in der sogenannten postkolonialen Zeit, die sich von der kolonialen Vergangenheit vor allem dadurch unterscheidet, dass Wissenschaftler und Schriftsteller versuchen, den eurozentrischen Diskurs über "den dunklen Kontinent", "die Wilden" und "die Dritte Welt" zu unterlaufen.

Einen Beitrag dazu leiset der Kameruner Philosoph und Politologe Jacob Mabe mit seinem "Afrika-Lexikon". Zusammen mit einem Stab von zehn deutschen Geistes- und Sozialwissenschaftlern hat er das in Deutschland bislang einmalige Projekt betreut. Entstanden ist ein Kompendium, das sowohl als Kulturgeschichte als auch politisch-soziale Informationsquelle fungiert. Im Vorwort benennt der Herausgeber die Ziele des interdisziplinären Kraftaktes, an dem mehr als 200 Forscher aus Europa und Afrika beteiligt waren: "Das Afrika-Lexikon [...] versteht sich als eine Reaktion auf das zunehmende Bedürfnis insbesondere der Leserinnen und Leser nach sachlicheren Informationen über die afrikanische Vergangenheit und Gegenwart. Sein Ziel ist einerseits, das Kulturrepertoire Afrikas aus verschiedenen wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu untersuchen, und andererseits, das bislang erreichte Wissen über Afrika einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen."

Die einzelnen Artikel sind einem weiten Kulturbegriff verpflichtet. Länderkundliche Einträge zu den afrikanischen Staaten stehen neben historischen Begriffen (z. B. Zulureich), kultur-soziologischen (z. B. Körperkunst, Magie, Musik) und politischen (z. B. Abhängigkeit, No-party Democracy) Termini. Die Sprachenvielfalt, Literatur und Philosophie (z. B. Oralphilosophie, Pygmäensprache) des Kontinents werden ebenso berücksichtigt wie aktuelle Debatten um "Abtreibung" und "Naturschutz". Mabe betont, dass "nicht nur atavistische, triviale oder sogenannte afrikaspezifische Lebensweisen" als Stichworte dienen, sondern "auch moderne Denkweisen behandelt sowie bestimmte wissenschaftsrelevante Sachverhalte im afrikanischen Kontext" verdeutlicht werden sollen.

Die Ausstattung des umfangreichen Nachschlagewerkes ist ebenso beeindruckend wie seine inhaltliche Breite. Zahlreiche Abbildungen, Karten und Tabellen veranschaulichen und bereichern Stichworte wie "Grafik", "Frisur", "Desertifikation"; die Länderartikel werden von aktuellen Statistiken eingeleitet und stellenweise von Hinweisen auf die entsprechende Homepage ergänzt.

Titelbild

Jacob E. Mabe (Hg.): Das Afrika-Lexikon. Ein Kontinent in 1000 Stichwörtern.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2001.
720 Seiten, 66,40 EUR.
ISBN-10: 3476015386

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Titelbild

Jacob E. Mabe (Hg.): Das Afrika-Lexikon. Ein Kontinent in 1000 Stichwörtern.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2001.
720 Seiten, 66,40 EUR.
ISBN-10: 3872948857

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