Bezugstexte

Oliver Sills Wanderung durch die moderne Literatur

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Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bezugstexte

Oliver Sills Wanderung durch die moderne Literatur

Von Nikola Poitzmann

"Eine Wanderung durch die europäische Moderne" vermittelt "einen Einblick in die literarische Moderne und ihre Traditionen - wohlgemerkt: einen Einblick und keinen Überblick", so der Autor in seiner Einleitung.

Oliver Sills Buch "Der Kreis des Lesens" nähert sich der Literatur und ihrer Wissenschaft mit einer nicht ganz neuen Methode, der Motiv- und Stoffgeschichte. Doch statt sich auf die chronologische Folge motivisch und stofflich ähnlicher Texten zu beschränken, befasst sich der Germanist zudem mit dem Problem der Textreferenz, also den Beziehung zwischen literarischen Werken. Dabei stützt er sich auf die These, dass zwar jeder alte Texte unvollendet, veränderlich und interpretierbar bleibt, zugleich aber zum Bezugstext für ein späteres Werk werden kann.

Die acht Studien des Buches sind unterschiedlichen Themen wie Verwandlung, Liebe, Sprache, Tod, Gehen, Bleiben, Entwicklung und Spiel gewidmet. Der Verfasser geht immer so vor, dass er zunächst einen modernen Roman mit entsprechendem Leitmotiv vorstellt und ihn dann aninterpretiert. Gleichzeitig arbeitet er dabei die Bezugnahme auf frühere Werke heraus und zeigt auf diese Weise ein System der Vernetzung auf. Abschließend folgt jeweils eine Art Intermezzo, bei dem von einem Motiv auf das andere übergeleitet wird. Dadurch bildet sich der Kreis des Lesens, der auch zum Titel des Buches geführt hat.

Im Kapitel "Liebe" ist beispielsweise Birgit Vanderbekes "Alberta empfängt einen Liebhaber" (1997) Gegenstand der Untersuchung. Als literarischen Bezugspunkt nennt Sill Goethes "Wahlverwandtschaften" aus dem Jahr 1809. In beiden Romanen ist das Scheitern der großen Liebe der zentrale Handlungsrahmen, und doch wird der Stoff unterschiedlich thematisiert und bewältigt. Die Texte sind folglich aufeinander bezogen, bleiben jedoch beim je eigenen Muster.

Der Kreis des Lesens wird durch zahllose Literaturbeispiele anschaulich, gleichwohl empfiehlt es sich natürlich, dem eigenen Horizont durch Lektüren zu folgen. Zurecht insistiert Oliver Sill darauf, die Literatur unter subjektiven Gesichtspunkten ausgewählt zu haben. Dem Leser dieses Buches bleibt es freigestellt, sich einen eigenen Kreis des Lesens zu ziehen.

Oliver Sill: Der Kreis des Lesens. Eine Wanderung durch die europäische Moderne.

Aisthesis Verlag, Bielefeld 2001.

274 Seiten, 29,65 EUR.

ISBN 3-89528-321-5


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Oliver Sill: Der Kreis des Lesens. Eine Wanderung durch die europäische Moderne.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2001.
247 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3895283215

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