Ein unerfreulicher Haufen

Gespräche mit Gegnern Kubas

Von Kai KöhlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kai Köhler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

43 Jahre kubanische Revolution bedeuten auch 43 Jahre voller Versuche, diese Revolution zu beseitigen. Dem inoffiziellen Druck in den ersten Monaten folgte im Jahr 1961 der Versuch einer militärischen Invasion. Seit dem Scheitern dieses Unternehmens führen die USA einen Wirtschaftskrieg gegen Kuba und versuchen, andere Staaten zur Beteiligung daran zu zwingen.

Eine bedeutende Rolle in allen Phasen der Angriffe spielten die in Miami konzentrierten Exilkubaner. Zu denjenigen, die bis 1959 der winzigen Oberschicht angehört hatten, gesellten sich antikommunistische Ideologen, gewissenlose Söldner und eine Handvoll idealistischer Ex-Linker, die sich vom Verlauf der Revolution enttäuscht zeigten. Später flüchteten viele Kubaner aus ökonomischen Gründen vor den Folgen des vom Westen angezettelten Wirtschaftsembargos.

Die politisch motivierten Exilanten waren an allen Formen der Aggression beteiligt: an den ersten Terroranschlägen gegen die kubanische Zivilbevölkerung ebenso wie am Landungsunternehmen in der Schweinebucht 1961, in den folgenden Jahren dann an Bombenattentaten gegen kubanische Institutionen. Die US-Regierung deckte, förderte und finanzierte fast alle diese Aktivitäten; gedeckt vom CIA operierten die finstersten dieser Kämpfer auch im Vietnam-Krieg und in den 80er Jahren im Krieg gegen Nicaragua. Die wenigen in der Entspannungsphase der 70er Jahre verhafteten Terroristen kamen bald wieder frei.

Kampfmittel waren vor allem Bombenterror und Mord. Zur Finanzierung förderte die CIA unter Verantwortung George Bushs, US-Präsident von 1989 - 1993 und Vater des jetzigen Präsidenten, den offiziell stets bekämpften und als Interventionsgrund beliebten Drogenhandel. Wer als Terrorist, wer als Verbrecher und wer als Freiheitskämpfer gilt, liegt eben nie in der Sache begründet, sondern war immer schon durch das Interesse der Herrschenden bestimmt.

Gegenüber feindlichen Staaten beriefen sich die USA gerne auf die Menschenrechte, die befreundete Diktatoren unbekümmert missachten durften und dürfen. Menschenrechte sind seit einiger Zeit auch das Steckenpferd exilkubanischer Gruppierungen; man sieht ehemalige Bombenleger von der Zivilgesellschaft träumen. Die Strategie zielt insbesondere gegen europäische Staaten und Firmen, die sich um ein konstruktives Verhältnis zu Kuba bemühen: Zum wirtschaftlichen Druck soll der moralische treten.

Hernando Calvo Ospina und Katlijn Declerc zeigen diese Zusammenhänge überzeugend auf. Einer historischen Einführung, die bis 1976 reicht, schließen sich siebzehn Interviews an, die fast alle mit Vertretern des kubanischen Exils geführt wurden; zudem kommen ein Vertreter der postfrancistischen spanischen Regierungspartei PP und eine fanatisierte holländische Menschenrechtsaktivistin auf der einen Seite, ein pragmatischer Unternehmer und ein oppositioneller US-Politiker auf der anderen Seite zu Wort.

Jedem Gespräch steht eine ausführliche Einleitung voran, die die politischen Rahmenbedingungen und die Interviewten selbst vorstellt und auf diese Weise die je folgenden Verharmlosungen und Ausflüchte entlarvt. Doch damit beginnt das Problem: Während die frühere Geschichte übersichtlich dargestellt ist, sind die Informationen über die letzten 25 Jahre trotz eines Glossars am Ende des Buches allzu verstreut. Man müsste sich einen Überblick aus den Einleitungen zu den Interviews zusammenstellen und erführe zwar manches über einige Personen und Organisationen des Exils, würde aber keinen systematischen Überblick über das bedrohliche Spektrum gewinnen. Dies ist auch dadurch begründet, dass der Autor und die Autorin sich mit berechtigten harschen moralischen und politischen Urteilen keineswegs zurückhalten und darunter der analytische Zugriff häufig leidet. So sind zahlreiche Personen und Gruppierungen, gewiss grob zutreffend, als "rechts" oder gar "rechtsextrem" bezeichnet. Unklar bleibt jedoch, was präsize damit zu bezeichnen ist. Welche Kampfmethoden oder Zielsetzungen rechtfertigen diese Einordnung? Ist die Vielzahl politisch ähnlicher Organisationen allein durch die reichlichen US-Hilfsgelder und die Gier einzelner Exillanten zu erklären, ihren Teil davon abzuzweigen? Oder gibt es konzeptionelle Differenzen, mit denen im Falle einer Konterrevolution zu rechnen wäre? Soll man dem Hohn der Verfasser über tölpelhaftes Betragen einzelner Gegner glauben oder doch lieber den damit kontrastierenden Warnungen vor ihrer Macht?

Eine Schwäche des Buchs ist auch die unverhältnismäßige Mühe, die die Interviewer sich geben, das Offensichtliche nachzuweisen: die Verknüpfungen zwischen US-Interessen und Finanzen und den exilkubanischen Akteuren. Letztere zieren sich standesgemäß ein wenig und sagen, was sie sagen müssen: dass sie nur im Nationalinteresse handelten etc. Kein Mensch kann das wirklich glauben, die Geldflüsse der USA an die Akteure sind so offen wie, in umgekehrter Richtung, die Wahlkampfspenden der Exilkubaner an die Präsidentschaftskandidaten bis hin zu Clinton und Bush jr.

Warum auch nicht? Dienten sie einer guten Sache, wäre das Geld gut angelegt; gleichgültig wer zahlt. Nationale Unabhängigkeit ist kein Wert an sich. Nur punktuell aber wird deutlich, weshalb die kubanische Unabhängigkeit heute ein Wert ist: wenn die Interviewten neoliberale Vorstellungen durchscheinen lassen, die nicht nur unter lateinamerikanischen Bedingungen Opfer für die Bevölkerung ohne Aussicht auf Lohn bedeuten. Der ausgewiesene Priester gleich im ersten Gespräch, der sich als unpolitischer Seelsorger darstellt, Terroristen segnete, heute die Scheidungsrate als Folge des Marxismus beklagt und liberalistisch den Kubanern ihren "Staatskomplex" auszutreiben hofft, will Verelendung als Nährboden religiösen Wahns. Er hat ja Recht: Wer in Armut und neokolonialer Abhängigkeit individualistisch sein Fortkommen zu betreiben sucht, dem bleibt selten mehr als der Glaube an irgendeinen Gott. Beim Anti-Etatismus nachzufragen, der bei vielen der Befragten sich äußert, wäre sinnvoller gewesen als das Fähnlein nationaler Selbstbestimmung hochzuhalten. Eine weitere Schwäche ist, dass in der deutschen Fassung die historische Verortung wegfällt. Irgendwann wohl nach 1997 ist ein spanisches Original erschienen, in dem dargestellt ist, wie der Druck der USA in Europa zu wirken beginnt. Wie sich seitdem die Gefahr entwickelte, wie sie heute einzuschätzen ist, darauf gibt das Buch keinen Hinweis. Die Interviews mit Europäern haben deshalb in der deutschen Übersetzung keinen prognostischen Wert mehr, sondern einen freilich nicht geringzuschätzenden soziologischen. Die durchschaubaren Beteuerungen des spanischen Regierungsvertreters, doch nur Kulturarbeit zu betreiben, demontieren unfreiwillig die Menschenrechtsrhetorik in der offiziellen Politik wie die Erklärungen des niederländischen Unternehmers, der die Zuverlässigkeit der kubanischen Verhandlungspartner zu schätzen weiß.

Die lohnendsten Seiten des Buches füllt ein Gespräch mit einer Vertreterin von Pax Christi Holland. Mal betont sie breitesten Widerstand: "Jede Person auf der Straße erzählt dir alles." Mal dramatisiert sie die Folgen angeblicher Unterdrückung: "Aber alle Cubaner leiden an einer Neurose, weil sie sich nicht äußern dürfen." Konfrontiert mit der düsteren Realität anderer lateinamerikanischer Staaten führt sie ihren Wahn an sein konsequentes Ende: "Aber es ist doch so, daß zum Beispiel in Kolumbien die Menschen die Initiative ergreifen können. Sie können etwas versuchen, um dem Elend zu entkommen. Gewiß, danach werden sie umgebracht, aber sie können es wenigstens versuchen."

Die Dummheit der Gutwilligen führt zum Kern der Menschenrechtsrhetorik. Die politischen "Professionals" umgehen das Zentrum; erst der Kommentar entlarvt sie und wäre ohne die Gespräche stringenter. Aus dem Buch lassen sich dennoch Lehren ziehen; manches über die Feinde Kubas, leider jedoch auch, dass allzu viel Empörung dem analytischen Zugriff schadet.

Titelbild

Hernando Calvo Ospina / Katlijn Declerq: Originalton Miami. Die USA, Kuba und die Menschenrechte.
PapyRossa Verlag, Köln 2001.
275 Seiten, 15,24 EUR.
ISBN-10: 3894382228

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