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Sabine Scholl über Vermittlungsleistungen der Literatur

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Großstädte der Welt sind heute An- und Durchlaufstationen globaler Wanderungsbewegungen. Sie sind Schauplätze von Mischkulturen, wo Literatur produziert, verlegt und distribuiert wird, die `zwischen´ den Kulturen steht und vermittelt. Autoren wie João Ubaldo Ribeiro ("Brasilien, Brasilien") oder Patrick Chamoiseau ("Texaco"), Yoko Tawada ("Hong Kong") oder Libuše Moníková ("Prager Fenster") erschließen sich die literarischen Märkte, sehen ihre Aufgabe in der Synthese zweier Kulturen und werden so auch rezipiert. Autoren, Leser und Verlage erhoffen sich hier Impulse für die eigene Erzählkultur, wobei die dominant "westlichen" Produktions- und Rezeptionsweisen häufig als zerstörerisch wahrgenommen werden, während den "östlichen" und (früher so genannten) "Dritte Welt"-Kulturen ein "unversehrtes Geschichtenerzählen" unterstellt wird. In diese mittlerweile zum Klischee geronnene Debatte tragen die Essays der österreichischen Schriftstellerin Sabine Scholl (geboren 1959) erfreulich viel Differenzierung hinein. Die Autorin verfügt seit Ende der 80er Jahre über langjährige Auslandserfahrungen. Sie beschreibt mehrsprachige Kulturen und Literaturen, die in den (ehemaligen) Kolonien, in den Borderlands (etwa zwischen den USA und Mexiko), im asiatischen Raum oder dem Balkan entstehen. Scholl untersucht vor allem Literatur von Frauen und bezieht Genres wie den Essay, die Reportage, die Autobiographie mit ein, Texte, die sich an Mythen und Imagines (das Bild der Malinche etwa, die die Unterwerfung der Indianer unter die Weißen repräsentiert) oder einfach am Machismo abarbeiten.

Titelbild

Sabine Scholl: Die Welt als Ausland. Zur Literatur zwischen den Kulturen.
Sonderzahl Verlag, Berlin 1999.
160 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 3854491476

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