Langeweile im Sommergarten

Sue Gee erspart dem Leser mit "Ein Garten im Sommer" nichts

Von Charlotte IndenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Charlotte Inden

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Mann steht in seinem Atelier und malt. Vor "gestirntem Himmel" und "winterlicher Weite der Felder" sitzt Sarah auf den "glatten Hügeln der Daunendecke". Dem Leser schwant Übles. Aber er ist noch gewillt, es dem Übersetzer zur Last zu legen. Auch Meredith blickt "zu dem zugigen Spalt zum Gang", sieht "voller Staunen die Gestalt im Schatten", den "Engel" mit der "vollen, steil emporsteigenden Biegung der", merke, "gefalteten Flügel. - Sie schrak zusammen." Der Leser auch.

Bei manchen Büchern würde er gerne aufgeben, der Leser. Sie bei Seite legen und nie mehr zur Hand nehmen. Niemals zu Ende lesen. Entweder weil sie so gut sind in ihrem literarischen Anspruch, dass Weiterlesen Arbeit bedeutet. Oder so schlecht in jeder Hinsicht, dass sich bis zur letzen Seite vorkämpfen reine Zeitverschwendung wäre.

Der Rezensent aber hat durchzuhalten. Hat Sue Gees "Garten im Sommer" gelesen. Hat festgestellt, dass es nach dem Umblättern der letzten Seite noch genauso schlecht ist, wie nach dem Lesen des ersten Absatzes. Der Übersetzter kann nichts dafür. Gut, er hätte wissen müssen, dass Adjektive, die im Englischen zu ihrem Bezugswort passen, sich im Deutschen mit diesem beißen können. Was bitte ist eine "volle Biegung"? Sein Fehler. Dass die Autorin allerdings mit Adjektiven, passenden und unpassenden, nur so um sich wirft, das kann er nicht ändern. Sue Gee scheint jenem Irrglauben verfallen zu sein, dass eine dichte Atmosphäre nur mit viel "gestirnt" und noch mehr "winterlich" zu schaffen ist. Doch müsste nicht jenseits der Sprache noch irgendwo der Inhalt sein? Die Geschichte, deren Erzählung der Autorin ein Bedürfnis war und die tragen sollte.

Walter Cox ist Maler. Seine Talent entdeckt er, nachdem er aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrt. Er lernt an der Royal Acadamy in London das Handwerk der Malerei kennen und seine Kommilitonin Sarah lieben. Gemeinsam kehren sie in seine Heimat zurück, denn nur in Kent glaubt Walter, dem Handwerk jenes Leben einhauchen zu können, das es zu Kunst werden lässt.

Lehrreich sind jene Passagen, die Walters und Sarahs Werdegang an der Academy beschreiben, ihr Umgehen mit Farben und Formen, den Medien der Malerei und der Graphik. Ihr Kommilitone und späterer Freund, Euan, wird Bildhauer. Die Geschichte der Kunst, der Weg von der Akademiekunst zur Moderne, von Constable zu Picasso, läuft neben dem Lebensweg der Cox' her, ihre Darstellung bildet.

Wie sich das Leben Walters und Sarahs entwickelt, bildet dagegen gar nicht und langweilt im Übermaß. Es ist nicht so, dass Sue Gee nichts einfallen würde: Kindstod und Eifersucht, Kriegstraumata und Schicksal. Doch ein Mann, der die Frau seines Lebens entdeckt, als sie noch in der Wiege liegt, ist im besten Fall albern, im schlimmsten als Figur unglaubwürdig. Überhaupt existiert keine männliche Perspektive, Sue Gees Personal denkt und fühlt, ist gänzlich weiblich, boykotiert die Glaubwürdigkeit der Geschichte und das Interesse des Lesers obendrein.

Die Qualität der Handlung sei dahingestellt: was auch geschieht, geschieht in Zeitlupe, wird mit Adjektiven in furchtbarsten Kombinationen geschmückt und zieht sich deshalb nur um so länger hin. Die fatalistische Lebensführung der Cox' - sie brauchen dreihundert Seiten pro Entscheidung, wenn sie überhaupt eine fällen, denn Selbstbestimmung ist Arbeit und Aussitzen funktioniert so gut - böte sich als rettendes Thema an, wird aber als solches nicht erkannt, war nicht geplant, keine Absicht, will nichts sagen. Will vielleicht unterhalten, mit Sicherheit melodramatisch und anrührend sein, schafft aber auch das nicht: Rettungsversuch gescheitert.

Keine Spannung, kein Tiefgang - nichts, was gerechtfertig Sprache genannt werden könnte, das ist nicht schön als Resumé. Und zwar, weiß der Rezensent, aus zwei Gründen: Erstens muss er der Autorin sagen, sie hätte ihre Zeit sinnvoller verbringen können. Zweitens hat er sich bis zur letzten Seite durchgebissen und gelitten, nur um mit Sicherheit verkünden zu können: Außer mir muss diesen Roman niemand lesen.

Titelbild

Sue Gee: Ein Garten im Sommer. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Anne R. Frank-Strauss.
Piper Verlag, München 2002.
478 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3492040497

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