Ein Theologe im Geschlechterkampf

Christoph Türckes "Sexus und Geist" bei Zu Klampen neu aufgelegt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einen allzu gewagten Parforceritt durch einige tausend Jahre Geschlechterkampf vom "archaischen Matriarchat" bis zur modernen Frauenbewegung liefert der Theologe und Philosoph Christoph Türcke in seinem Buch "Sexus und Geist". Seine Darstellung der vorzeitlichen Gedankenwelt des Matriarchats und des Übergangs zum Patriarchat sind höchst spekulativ und nicht minder bedenklich. Oft genug lässt sich nicht ausmachen, ob er eine bestimmte Vorstellung nur der matriarchalischen bzw. patriarchalischen Kultur zuschreibt, oder ob er sie selbst teilt. Jedenfalls verraten Konnotationen und Subtext immer wieder seine Sympathien für die "beherzte Durchbrechung" des Mutterkultes, denn, so Türcke, "ohne Frauenfeindlichkeit keine Selbstentdeckung des Geistes".

Über die griechisch-antike Geistesgeschichte, ein wenig Philosophie- und sehr viel mehr Religionsgeschichte gelangt Türcke zur modernen Frauenbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts, zu deren Tragik es gehöre, dass sie erst entstanden sei, "als das Patriarchat aufhörte". Von den Vertreterinnen der ersten Welle lässt er nur die gemäßigte Helene Lange zu Wort kommen, die er für ähnlich patriarchalisch hält wie Karl Kraus. Schnell wird noch Weiningers "Geschlecht und Charakter als "große[r] literarische[r] Wurf" gewürdigt, dem Türcke "subtilste psychologische Einsichten" und ein "überfeines Gespür für die Mächte, in denen authentischer Geist zu ersticken droht", bescheinigt. Leider, so klagt der Autor, habe Weininger "nicht anders als paranoisch" auf sie reagieren können. Sodann wendet er sich den seiner Auffassung nach drei "repräsentativen Positionen" der zweiten Welle feministischer Theorie zu, die er durch die Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth, die französische Psychoanalytikerin Luce Irigaray und die gynozentrische Religionskritikerin Mary Daly vertreten sieht. Gemeinsam ist allen dreien, dass sie differenzfeministische Positionen vertreten. Ihre Theorien gehen also - in der Formulierung Türckes - davon aus, dass das "authentisch Weibliche [...] jenseits aller männlichen Beschränktheit gedeiht". An den drei Wissenschaftlerinnen, die eher abseitige Forschungsstränge vertreten, bzw. für den längst überwunden Feminismus der 70er Jahre stehen, versucht der Autor den Feminismus insgesamt ad absurdum zu führen. Antiessentialistische Positionen, die die feministische Theorie seit mehr als zwanzig Jahren prägen, werden bei ihm allenfalls am Rande erwähnt. Denn ein Feminismus, der auf die Annahme eines - besseren - "Weibliche[n] an sich" verzichtet, sei wie ein "Christentum ohne Christus". So wundert es nicht, dass der Gender-Diskurs mit all seinen Facetten bei Türcke keine Erwähnung findet. Ebenso wenig wundert allerdings auch, dass das Buch nach seinem ersten Erscheinen im Fischer Taschenbuch-Verlag 1991 seinerseits von Feministinnen und GendertheoretikerInnen weitgehend ignoriert wurde. Denn es war schon damals alles andere als auf der Höhe des feministischen Diskurses. So glänzt Türcke denn auch vor allem durch polemische Ausfälle. Warum sich der zu Klampen Verlag dennoch entschlossen hat, den Band erneut zu publizieren, bleibt unerfindlich.

Titelbild

Christoph Türcke: Sexus und Geist. Philosophie im Geschlechterkampf.
zu Klampen Verlag, Lünebürg 2001.
249 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-10: 3934920047

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