Alltägliche Liebesübertragungen

Monika Miklautz' Thesen zur Übertragungsliebe von Hysterikerinnen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Unter dem Titel "Hysterisch oder Liebeskrank?" hat die in der Lehrerfortbildung und als Schülerberaterin tätige Gymnasiallehrerin Monika Miklautz ein Buch zur Übertragungsliebe bei Hysterikerinnen vorgelegt. Als empirisches Material hat sie erstmals die Fälle von Hysterie am Zentrum für seelische Gesundheit im Landeskrankenhaus Klagenfurt ausgewertet. Den theoretischen Background der Autorin bilden die psychoanalytische Konzeption Siegmund Freuds und ihre "Betroffenheit als Frau". Ziel ihres Buches ist es aufzuzeigen, dass es nicht nur eine "Übertragungsliebe im engeren Sinn" gibt, sondern ebenso eine "im weiteren Sinn". Diese betreffe "unsere alltäglichen Liebesübertragungen" bis hin zur Liebe zur Kunst oder zur Wissenschaft. Der Autorin zufolge ist es sogar "legitim", die mittelalterliche "Beziehung zwischen ekstatischen Heiligen und ihrem Gott", ja sogar diejenige "zwischen 'Hexen' und ihren Folterern" auf der Grundlage der Übertragung zu interpretieren.

Die "Basis" für die beiden Formen der Übertragungsliebe bilden der Autorin zufolge "kindliche Erfahrungen und ihre Verarbeitung". Miklautz' nur mäßig originelle These lautet nun, dass die zur Hysterie führende Verdrängung dieser Erfahrungen "nicht nur innerpsychische, sondern auch gesellschaftliche Gründe" habe, die in der patriarchalen Gesellschaft zu suchen seien. Ihre These hindert Miklautz, die sich ihres "langjährige[n] Engagement[s] in der autonomen Frauenbewegung" rühmt und nicht versäumt, ihren "feministischen Denkansatz" zu betonen, indessen nicht daran, einem Primat der Biologie das Wort zu reden, indem sie unter stillschweigender Negation des durch Judith Butler angestoßenen Gender-Diskurses der 90er Jahre die "mögliche[n] psycho-biologischen Unterschiede der Geschlechter" nur einer "gesellschaftliche[n] Überformung" ausgesetzt sieht und die "innerpsychischen Gründe" der zur Hysterie führenden Verdrängung - sie nennt den "Ödipuskomplex samt Penisneid und Kastrationsangst" - als "anthropologische Konstante" auffasst. Die "variable Form der gesellschaftlichen Produktion von Unbewußtheit" bestimme nur die "Mächtigkeit des Penisneides".

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Monika Miklautz: Hysterisch oder liebeskrank? Die Übertragungsliebe bei Hysterikerinnen.
Ernst Reinhardt Verlag, München 1998.
232 Seiten, 25,90 EUR.
ISBN-10: 3497014532

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