Carsten Könneker über den modernen Roman und die nationalsozialistische Weltanschauung im Zeichen der theoretischen Physik

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts revolutionierte die moderne Physik das Weltbild. Auch außerhalb der Wissenschaft wurden ihre Aussagen rezipiert und wirkten häufig stark inspirierend. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Roman der "klassischen Moderne", wo ästhetisch-stilistische Konzeption und implizites Literaturverständnis, etwa bei Carl Einstein, Broch und Musil, zum Teil wesentlich auf der Rezeption der neuen Theorien beruhten. Die Auseinandersetzung mit der "Auflösung der Natur" (Benn) beschränkte sich jedoch längst nicht auf Intellektuellenkreise. Relativitätstheorie und Quantenmechanik waren im Alltagsdiskurs der Weimarer Republik omnipräsent. Über ihre tendenziöse Vulgarisierung, auf der Ebene der Diskussion um das "wahre" Welt-Bild, förderte die Physik sogar das Erstarken antisemitischer Tendenzen und war maßgeblich mit verantwortlich für den schweren mentalitätsgeschichtlichen Einbruch, der die Ausbildung und wachsende Attraktivität der NS-"Weltanschauung" ermöglichte.

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Titelbild

Carsten Könneker: Auflösung der Natur- Auflösung der Geschichte. Moderner Roman und NS-"Weltanschauung" im Zeichen der theoretischen Physik.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2001.
466 Seiten, 33,20 EUR.
ISBN-10: 347645262X

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