Techniken der Reproduktion

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Den medialen, biotechnischen und diskursiven Techniken der Reproduktion widmet sich ein von Ulrike Bergermann, Claudia Breger und Tanja Nusser herausgegebener Tagungsband, dessen sechszehn Beiträge - darunter ein fiktionaler Text - den drei Rubriken "Disziplin- und Technikgeschichten", "Biopolitiken" und "Figuren und Phantasmen" zugeordnet sind. Die reproduktiven Techniken prägen den Herausgeberinnen zufolge nicht nur den aktuellen medizinischen Diskurs sondern die "Konstitution" von Kultur überhaupt.

Innerhalb und im Zwischenbereich verschiedener disziplinärer "Terrains" betrachten die Beitragenden aktuelle biotechnische und -politische Entwicklungen im Zusammenhang kultur- und medienwissenschaftlicher Diskurse, welche die "Reproduktion von Texten und Identitäten" thematisieren, wobei sich die kulturellen Ordnungen von Reproduktion als "auf komplexe Weise mit Codierungen von Geschlecht verknüpft" erweisen. Während Jutta Weber, deren Text auf einem Kapitel ihrer 2002 erschienenen Dissertation "Umkämpfte Bedeutungen" beruht, zeigt, wie die Grenze zwischen Science und Fiction in den Voraussetzungen aktueller Technowissenschaften "verschwimmt", und erläutert, wieso sie es für gerechtfertigt hält, Technoscience "im Sinne einer Epoche" zu begreifen, konstatiert Doerte Bischoff für die Zeit um 1900 einen Umsturz im Geschlechterverhältnis, der in der tendenziellen Auflösung der "klassische Unterscheidung" von Produktivität und Reproduktivität gründete. Daher, so die Autorin, sei es nicht überraschend, dass die Figur der Mutter den Mittelpunkt des zeitgenössischen Geschlechterdiskurses gebildet habe. In Texten von Autorinnen wie Else Lasker-Schüler und Mela Hartwig werde die "Instabilität" der "traditionsreichen Opposition" von Gebären und Kunstschaffen zur Möglichkeit weiblicher Autorschaft. Einem zeitgenössischen Autor, Michel Houellebecq wendet sich indes Ines Kapert zu, der als "prototypischer Vertreter einer Differenzierungs-Müdigkeit" in seinem Roman "Elementarteilchen" nicht nur eine "grobschlächtige Kritik an den '68er-Frauen'" übe, sondern darüber hinaus den glücklichen Klon propagiere.

Mit einer anderen Kunstform, dem Film, befasst sich Claudia Breger. Anhand der Spielfilme "The Mummy" (1932), "Die Mumie" (1999) und "Die Mumie kehrt zurück" (2001) erörtert sie die Frage, welche "geschlechtlichen und ethnischen Codierungen", das "Mumienwesen" des kolonialen und postkolonialen Zeitalters reproduziert. Die 1999 und 2001 von Stephen Sommers gedrehten Filme, so ihr Fazit, folgten zwar den Vorgaben der hegemonialer Ordnung von Geschlecht, Sexualität und 'Rasse', doch setzten sie zugleich die "Kontingenz" dieser Ordnung in Szene, so dass manche Topoi "kritisch refokussiert" werden.

Nicht den Künsten, sondern der Biopolitik wenden sich Ingrid Schneider und Sarah Sexton zu, die gesellschaftspolitische Regulierungen von Fortpflanzungstechnologien in Zusammenhang mit der Embryonenforschung erörtern beziehungsweise Sprache und Diskurs des "Human Embryo Cloning" untersuchen.

R. L.

Titelbild

Ulrike Bergermann / Claudia Breger / Tanja Nusser (Hg.): Techniken der Reproduktion.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2002.
350 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-10: 3897410958

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