Ein Altmeister erzählt aus seiner Schreibkiste

Ray Bradburys Essays über das Schreiben

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Essays von Ray Bradbury sind unterhaltsam zu lesen und in einer klaren Sprache geschrieben. Bradbury erzählt von seinen Schreiberfahrungen und seinem Werdegang als Schriftsteller. Dabei macht er bereits früh die Erfahrung, dass das freie Assoziieren von Begriffen seine Lieblingsmethode wird, um Geschichten zu entwickeln. Mit dieser Übung beginnt er seine Arbeitstage, notiert seine Einfälle und kann vieles davon in Erzählungen überführen.

Neben diesem Handwerkszeug, über das er ausführlich berichtet, erläutert Bradbury seine Auffassung, dass Schreiben grundsätzlich zuerst mit dem eigenen Unbewussten und den eigenen Erfahrungen zu tun habe. Beides entwickelt sich aus Erlebnissen und Emotionen, muss aber heranreifen, bevor es Ausdruck in Sprache finden kann. Bradbury modelliert den schöpferischen Prozess des Schreibens in mehreren Stufen, erst die letzten gestalten sich im Wort, in der Sprache.

Es gilt, auf die Intuition zu vertrauen und den Mut aufzubringen, sich mit sich selbst - auch mit negativ bewerteten Seiten - auseinander zu setzen. Nur daraus können nach Meinung Bradburys die guten Geschichten entstehen, die fesseln und berühren und auf eine bestimmte Weise authentisch sind, ohne durchgängig autobiografisch zu sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Verzweiflung geht oder um die Liebe, der Kern einer jeden Geschichte muss aus dem Autor erwachsen.

Das klingt ein wenig nach Freud und seiner Theorie vom schöpferischen Prozess, den er in Analogie zum Vorgang des Träumens setzt. Bradbury verzichtet auf die psychologischen Begrifflichkeiten und schildert durchgehend eigene Erfahrungen. Wohltuend, weil er damit bei der Sache, beim Schreiben als Prozess, bleibt. Er driftet nicht in theoretische Ausführungen ab, sondern erkundet - wie er es im Grunde vom Schreibenden auch verlangt - über seine eigenen Erlebnisse die Welt.

Neben den Ausführungen zum Schreiben schildert Bradbury die Entstehungskontexte einiger seiner Kurzgeschichten, stellt Zusammenhänge zwischen Kindheitserlebnissen und späteren Romanfiguren und -orten her. Er erzählt von Freundschaften mit anderen Autoren und Verlegern, von den ersten selbstverdienten Dollar für eine Geschichte und von seinen Erfolgen als Science-Fiction-, Theater- und Drehbuchautor. Die publizierten Essays stammen aus einem Zeitraum von über 20 Jahren, einiges taucht mehrmals auf, so z. B. prägnante frühe Schreibszenen.

Alles in allem eine anregende Lektüre, die dazu auffordert, sich nicht nach dem zu richten, was marktgängig, trendy und konform ist, sondern das persönliche Schreiben, den eigenen Stil zu entwickeln. Das ist für Bradbury die wichtigste und zentrale Aufgabe eines Menschen, der mit literarischem Schreiben sein Geld verdienen will. Das Genre, die Gattung spielen eine untergeordnete Rolle. In Zeiten schreibender, pardon, parlierender Literaten-AGs ein wahres Wort.

Titelbild

Ray Bradbury: Zen in der Kunst des Schreibens.
Übersetzt aus dem Englischen von Kerstin Winter.
Autorenhaus-Verlag Manfred Plinke, Berlin 2002.
175 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3932909704

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