Lieblos gebündelt

Frank Schäfer schreibt über "Harte Kerle"

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Shit, dachte ich, dagegen würde sogar Eddie Constantine vergeblich anstinken ... ". So beschreibt der deutsche Übersetzer Carl Weissner seine erste Begegnung mit dem versoffenen US-Schriftsteller Charles Bukowski. Ein Fall für Frank Schäfer: Bukowski als grobkernige Lektüre-Ikone adoleszenter Gymnasiasten, die von einem Leben zwischen Schreibmaschine, Nutten und Bierkisten träumen, ist einer jener 'harten Kerls', die der Schriftsteller und Kolumnist Schäfer ("Die Welt ist eine Scheibe. Rockroman", Oktober Verlag, 2001) in seiner neuen Publikation vorstellt. Der Klappentext verrät: "Frank Schäfer erzählt uns auf unterhaltsame Weise ihre Geschichten und nimmt auch die unbekannten, verkannten Typen in den Blick. Eins steht fest: Hartgekocht sind sie alle!"

Schäfers Buch, das in fünf größere thematische Abschnitte unterteilt ist, als ,Essaysammlung' zu bezeichnen, führt allerdings in die Irre. Was sich hier unter den Überschriften "Helden", "Schreihälse", "Revoluzzer", "Verbrecher" und "Pechvögel" versammelt, sind wohl eher Miniatur-Studien, oft nur bloße Andeutungen über die Dioskuren der Literatur- und Rockgeschichte, denen sich der Autor manchmal etwas linkisch zu nähern versucht.

Selten sind die Abschnitte länger als drei Seiten. Gewiss: Manche dieser Schlaglichter erscheinen gerade in ihrer Kürze durchaus gelungen und eignen sich zur gewinnbringenden Lektüre zwischendurch; gewissermaßen als literarische Westentaschensnacks für gelangweilte S- und U-Bahn-Leser, denen Kants "Kritik der reinen Vernunft" für den Moment zu hoch und die BILD-Zeitung des Gegenüber dann doch zu blöd vorkommt.

Geglückt sind Schäfer eher ernsthafte Betrachtungen wie die über den sprachkritischen Philosophen der Jahrhundertwende, Fritz Mauthner, oder seine kritische Vorstellung des ersten rassistischen Anthropolgen, Christoph Meiners, in dem schon Arno Schmidt das Musterbeispiel für den deutschen Urtyp "des dickbrilligen, fast=gelehrten Unmenschen" mit einem ausgeprägten "Prä=Arier=Fanatismus" erkannte.

Bei vielen der hier versammelten Texte hat man aber leider auch den Eindruck, schnellfingerige Entwürfe vor sich zu haben; fast nur umgeschriebene Lexikonartikel, deren schaler, abgestandener Informationswert mit flapsigen Bemerkungen aufgemotzt werden soll. Da dem passionierten Feuilletonleser außerdem im Laufe der Lektüre manche Formulierung Schäfers merkwürdig bekannt vorkommt, drängt sich schnell der Verdacht auf, dass man es hier und da mit längst erschienenen Zeitungsartikeln zu tun habe, die Schäfer nun als "Essays" in gebündelter Form noch einmal herausbringt, obschon ihr Verfallsdatum geraume Zeit überschritten ist.

Dies gilt nicht immer für die Beiträge, die literarische Raubeine in den Blick nehmen. Dass Schäfer hier öfters dem Kanon Arno Schmidts folgt, etwa in der Auswahl Karl Ferdinand Gutzkows und Johann Karl Wezels, ist keineswegs unsympathisch, aber in diesem Fall insofern witzlos, als auch hier überhaupt nichts neues berichtet wird. Das hat man alles in Schmidts Funk-Essays schon hundertmal pointierter dargestellt gefunden. Wieso also sollte man nun in Begeisterung ausbrechen, wenn Schäfer zeigt, dass er das auf drei Seiten nachbeten kann?

Arno Schmidt selbst wird von Schäfer gleich zweimal gewürdigt: Zunächst als Austriophobe unter der Rubrik "Schreihälse" und dann noch einmal als "kulinarischer Kleinbürger" in der Abteilung für "Pechvögel". Was Schmidt an letzterer Stelle - nämlich in dem Text " ,Einfach; kräftig; viel Fleisch' Essen mit Arno Schmidt" - zum Pechvogel qualifizieren soll, bleibt allerdings offen. Zu allem Unglück zitiert Schäfer den ,Meister' auch noch falsch: Nicht nur ein Sakrileg, sondern ein weiterer Beleg für die nachlässige Vorgehensweise des Autors.

Überhaupt: Der problematische Versuch, die hier teilweise wie zufällig versammelten Texte systematisch zu ordnen, musste wohl scheitern angesichts einer thematischen Bandbreite, die von der Comic-Figur Spider-Man über den patriotischen 11/9-Rocker Neil Young ("Let's Roll") und die Prolo-Gitarren-Knüppler Motörhead bis hin zu dem Stürmer und Dränger Jacob Michael Reinhold Lenz reicht.

Mit lockeren Zitatkombinationen versucht "Titanic"-Autor Schäfer in diesem Durcheinander zwischendurch immer wieder eines: witzig zu sein. Der Humorist Arno Schmidt ist hier zweifellos ein verlässlicher Lieferant messerscharfer Formulierungen, die ihre Wirkung kaum verfehlen können. Wenn Schäfer jedoch mit einem forcierten E-Mail-Stil versucht zu kontern, geht das bisweilen gehörig in die Hose: "Hm. Was jetzt? Thema vergessen? Datei schließen, Bücher einpacken, bißchen an die frische Luft? Und hernach vielleicht ein paar Spiegeleier?"

Derartige Albernheiten mögen schon mal in der "taz" durchgehen, doch sie unter dem hochtrabenden Label "Essay" feilzubieten, führt zwangsläufig zu Misstönen. So wird auch nicht immer deutlich, was das ganze Unternehmen "Essay 05" eigentlich erreichen will. Soll hinlänglich Bekanntes lediglich satirisch zugespitzt und locker aufbereitet, mithin also bloße Unterhaltung für Laien dargeboten werden, oder will Schäfer doch tiefer loten?

Ohnehin ist nur schwer erkennbar, was in diesem Zusammenhang eine bloße Inhaltsangabe von Robert Louis Stevensons "Schatzinsel" zu suchen hat. So wirkt es unfreiwillig komisch, dass der Bösewicht dieses Seeräuberromans unter Schäfers Essay-Rubrik, die "Verbrecher" vorstellen soll, provinziellen Braunschweiger NS-Malern an die Seite gestellt wird.

Der Autor lässt hier und da durchblicken, dass er - so etwa in den Texten über Lenz, Gutzkow oder auch Schmidt - mehr wissen könnte, als er im Einzelfall verrät, doch bleibt eine ernsthaftere Diskussion von Thesen in der Regel aus. Ehe man sich versieht, wird die Datei geschlossen.

Titelbild

Frank Schäfer: Harte Kerle. Essay 05.
Oktober Verlag, Münster 2003.
172 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-10: 3935792255

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