Thomas Mann und die Österreich-Odyssee

Franz Zeders "Thomas Mann in Österreich"

Von Nina SchmidtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nina Schmidt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kurt Tucholsky gab den Rat, dass man nur in seinen besten Stunden schreiben solle und nicht in seinen schwachen. Franz Zeder hatte wohl einige schwache Momente, als er diese "Österreich-Odyssee" antrat. Er nimmt den Leser mit auf eine wundersame Reise durch unzählige Thomas-Mann-Anekdoten und gelangt über mühsam (re)konstruierte Situationen und quälend-gewollte Einfügungen von englischen Wörtern zu wichtigen Erkenntnissen:

1. Thomas Mann war auch nur ein Mensch;

2. Thomas Mann hat furchtbar viel geschrieben;

3. Thomas Mann hielt sich mehrere Male in Österreich auf.

Nein Herr Zeder, diese Erkenntnisse sind weder "on top" noch "fashionable".

Eine chronologische Aufschlüsselung der Besuche Thomas Manns in Österreich ist dann interessant, wenn sich zeitgeschichtliche Ereignisse, persönliche Motivation, komische und tragische Situationen ergänzen und langsam zu einem Bild zusammenfügen. Das bloße Zusammentragen von Namen, Orten und Jahreszahlen wirkt, gezogen auf 276 Seiten, fad, um nicht zu sagen langweilig. Wo bleiben Bezüge zur Wiener Moderne? Warum bewunderte Thomas Mann Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal und was machte sie später neben Bahr und Wassermann zu Freunden? Welche Probleme hatte die Karl-Kraus-Leserschaft mit Thomas Mann? Was faszinierte den Autor überhaupt an Österreich?

Da interessiert es doch herzlich wenig, wann er zu spät zu einer Lesung kam oder welcher Umstände es bedurfte, um einer Kunststudentin auf den Fuß zu treten (hier lässt Herr Zeder den Leser allerdings im Unklaren darüber, ob nun der rechte oder der linke Fuß betroffen war). Selbst Freuds achtzigster Geburtstag und Zeders tiefenpsychologische Spekulationen über dessen tränengefüllte Augen während der Festrede Manns können die Irrfahrt des Buches nicht mehr aufhalten.

Franz Zeder fehlt etwas, was Klaus Harprecht bereits im Vorwort seiner Thomas-Mann-Biographie schafft, nämlich detailliert über einen großen Mann zu schreiben und das Ganze mit Witz und Charme zu würzen, ohne sich in unwichtigen Kleinigkeiten zu verlieren und dadurch geistlos zu werden. So ist dort beispielsweise eine wunderbare Beschreibung Thomas Manns durch Hugo von Hofmannsthal wiedergegeben:

"Der ganze Mann mach[t] einen ungemein gepflegten Eindruck. Auch sein Haus stelle man sich so vor: sehr fein und reichhaltig, mit kostbaren Tapisserien, dunkelnden Ölgemälden, Clubsesseln, hellen Schlafräumen etc.pp. Nur in irgend so einem Nebenzimmer liegt dann plötzlich eine tote Katze ..."

Tja, Herr Zeder: That´s the way it is.

Titelbild

Franz Zeder: Thomas Mann in Österreich.
Carl Böschen Verlag, Siegen 2001.
382 Seiten, 37,00 EUR.
ISBN-10: 3932212304

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