Übersetzung als Vermittlung

Jörn Albrechts Geschichte, Theorie und kulturelle Wirkung der literarischen Übersetzung

Von Evangelia KaramountzouRSS-Newsfeed neuer Artikel von Evangelia Karamountzou

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Übersetzungswissenschaft begann sich erst zu Beginn der achtziger Jahre im Bewußtsein der akademischen Öffentlichkeit zu etablieren. Sie entwickelte sich nach dem letzten Krieg zögerlich als Teildisziplin der Sprachwissenschaft. Inzwischen hat sie sich weit von ihren Ursprüngen entfernt. Die Ansicht, daß die literarische Übersetzung so gut wie nichts mit Linguistik, dafür um so mehr mit Literatur zu tun habe, wird oft vertreten. Ein Übersetzer wird auch als Schriftsteller betrachtet, und bei seiner Arbeit handelt es sich nicht nur um "Sprachmittlung", sondern auch um "Kulturmittlung".

Jörn Albrecht hat eine Arbeit über die literarische Übersetzung geschrieben, die ihren wissenschaftlichen Wert behält. Sie bemüht sich, "eine allgemeinverständliche Synthese vorzulegen. Der Textteil soll dem delectare gewidmet sein, der Anmerkungsapparat und das umfangreiche Literaturverzeichnis dem prodesse vorbehalten bleiben." Im Mittelpunkt stehen die Literaturbeziehungen zwischen dem deutschen und den benachbarten Sprachräumen.

Im ersten Teil des Buches werden die Geschichte und die Theorie des Übersetzens dargestellt. Albrecht beschäftigt sich mit dem alten rhetorischen Frageschema quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando, nämlich was, wurde wann, warum und wie übersetzt. Präzis beantwortet er, wer mit welchen Hilfsmitteln übersetzt hat. Er fügt Übersetzungsbibliographien und einen Überblick über die vorhandene Übersetzungsliteratur hinzu. Er führt in die Übersetzungstheorie und -praxis ein und erklärt die Unterschiede zwischen "freiem" Übersetzen und "wörtlichem" oder "treuem" Übersetzen, durch das "Sinn, Stil und Wirkung" des originalen Textes bewahrt werden. In einem weiteren Kapitel beschäftigt er sich mit der Bibel, die noch immer eine Herausforderung für den Übersetzungsforscher darstellt. Zuletzt untersucht der Verfasser, inwieweit die Zielsprache durch eine Übersetzung beeinflußt werden kann.

Im zweiten Teil des Buches bezieht sich Albrecht auf die kulturelle Wirkung der literarischen Übersetzung. Er bewertet den Beitrag der Disziplinen Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft zur Übersetzungstheorie und -praxis. Doch in seinem Kapitel "Vom literarischen Kanon zum literarischen Markt" hat Albrecht die Gelegenheit verstreichen lassen, sich ausführlicher auf den zeitgenössischen literarischen Markt zu beziehen. Er betont nur, wie wenig die Arbeit der Übersetzer in Besprechungen von neu erschienenen oder neu aufgelegten Büchern beachtet werde. Zunächst präsentiert er verschiedene europäische Nationalliteraturen in ihrer Rolle als "Nehmende", dann in der als "Gebende" (unter die Lupe nimmt er die Literaturen Italiens, Frankreichs, Spaniens und seiner iberischen Nachbarn, Großbritanniens und Irlands, Deutschlands, Österreichs und der Schweiz). Ein Blick auf Übersetzungen der zeitgenössischen Literatur fehlt.

Titelbild

Jörn Albrecht: Literarische Übersetzung. Geschichte-Theorie-Kulturelle Wirkung.
wbg – Wissen. Bildung. Gemeinschaft, Darmstadt 1998.
357 Seiten, 0,00 EUR.
ISBN-10: 3534109155

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