Aus dem Nähkästchen

Zu Hillary Rodham Clintons "Gelebte Geschichte"

Von Sanja ZecRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sanja Zec

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Würde man Hillary Rodham Clintons "Gelebte Geschichte" mit einer kurzen Bewertung versehen müssen, so würde "nur für Fans" sicher unter den treffendsten zu finden sein. Das äußerst opulente Werk ist weder etwas für radikale Feministinnen noch zur Verbreitung patriotischer Gedanken gut. Ganz zu schweigen davon, dass auch all jene sensationssüchtigen Leser, die sich lediglich erhoffen, mehr über die Lewinsky-Affäre zu erfahren, nicht auf ihre Kosten kommen.

Dennoch, die ehemalige First Lady schreibt über jene unrühmliche Episode im Leben ihres Gatten und stellt sich damit der neugierigen Öffentlichkeit, aber sie tut es auf ihre Weise.

Doch zunächst lenkt sie die Aufmerksamkeit auf ihr "Leben davor": ihre Eltern, ihre Kindheit, ihre Jugenderinnerungen, ihre College-Jahre, ihre Karriere als Anwältin, ihre Mutterschaft sowie Ehe-Fakten, wie man sie von einer Biografie erwarten durfte. Zäh muss man dabei schon sein, wenn man sich durch das Gewimmel von Namen und Lebensläufen durcharbeitet, denn nicht immer versteckt sich dahinter eine interessante Geschichte. Allzu oft begegnet uns ein Carl und eine Margaret, ein Morris und eine Ann, die Hillary und Bill zum Essen einladen, ein Gespräch mit ihnen führen oder sie im Urlaub besuchen, ehe sie in der Versenkung verschwinden. Hinzu kommen äußerst merkwürdige Szenen, die nicht wirklich hätten erwähnt werden müssen. Wahrscheinlich wäre es keinem aufgefallen, wenn die Autorin sie nicht zu Papier gebracht hätte, etwa dass ihr einmal bei einem Besuch in Moskau übel geworden ist und sie sich direkt auf den Boden ihrer Limousine übergeben musste, während eine ihrer Mitarbeiterinnen die "Contenance" bewahrte und sie währenddessen auf Sehenswürdigkeiten hinwies. Ihre Menschlichkeit weiß sie besser unter Beweis zu stellen, wenn sie etwa über den Umzug ihrer Tochter Chelsea ins College von Stanford erzählt, der ihr, wie vielen Müttern, sehr schwer fiel.

Die First Lady plaudert aus dem Nähkästchen: Ernste Staatsbesuche, in denen die studierte Anwältin für die Menschenrechte kämpft, wechseln sich mit augenzwinkernden Episoden ab. So wird Boris Jelzin als zuvorkommender und überaus mutiger Politiker beschrieben, "ein Held, weil er der Demokratie in Russland wichtige Dienste geleistet hatte", aber er trinke gerne "ein oder zwei Gläschen" und weise äußerst seltsame Essgewohnheiten auf. Bei einem Bankett sei einmal ein Ferkel vor die Jelzins und Clintons auf den Tisch gelegt worden: "Mit einem Schwung seines Messers trennte Jelzin ein Ohr ab und reichte es meinem Ehemann. Das andere Ohr schnitt er für sich ab und biss genussvoll hinein, wobei er Bill bedeutete, er solle es ihm gleichtun."

Überhaupt stehen viele Staatsbesuche auf dem Terminplan der First Lady. Vor allem in Asien und Afrika setzt sie sich für die Schaffung einer besseren Welt ein, unterstützt vor allem Frauenrechtsbewegungen. In Peking hält sie bei der Weltfrauenkonferenz der UNO 1995 eine Rede, auf die sie noch oft angesprochen wird: "Wenn diese Konferenz eine Botschaft aussendet, so sollte es die sein, dass Menschenrechte Frauenrechte sind [...] und dass Frauenrechte Menschenrechte sind." Und so blitzt hin und wieder das auf, was sie eigentlich sagen, worauf sie mit ihrem Buch auch hindeuten möchte.

Die Liste ihrer politischen Aktivitäten ist beeindruckend lang und beginnt schon in der High-School-Zeit als Teenager. Die Reform des desolaten amerikanischen Gesundheitssystems, das Recht auf Abtreibung und die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft sind ihre wichtigsten Anliegen.

Hart schildert sie indes die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten, wobei erstere immer mit unfairen Mitteln kämpfen und siegen, während letztere fair sind und unterliegen. Journalisten scheint sie generell feindlich gegenüberzustehen. Ein bisschen Schwarz-Weiß-Malerei ist das schon. Mitunter stellt man sich die Parteimitglieder der Republikaner als gierige Monster vor, die armen alleinerziehenden Müttern die Sozialhilfe streichen, Rentnern die Gesundheitsversorgung kappen und die Regierung Clintons überhaupt stürzen wollen - auch wenn sie über Leichen gehen müssen. So kommt es auch, dass sie den ersten Anschuldigungen, die Monika Lewinsky gegen Bill Clinton erhebt, keinen Glauben schenkt. Und als Clintons Lügengebäude einstürzt, schreibt sie, dass sie sehr wütend auf ihren Mann und verletzt gewesen sei. Und dass es sehr schwer gewesen sei, Bill Clinton zu verzeihen. Hätte man etwas anderes erwartet?

Es sei jedoch ihre "gemeinsame Geschichte" gewesen, die sie habe zusammenbleiben lassen: "Doch wie kann ich eine Liebe erklären, die Jahrzehnte überstanden hat und stetig gewachsen ist, während wir unsere Tochter aufgezogen, unsere Eltern begraben und uns um unsere großen Familien gekümmert haben. Wir haben lebenslange gemeinsame Freunde und einen gemeinsamen Glauben und spüren beide eine tiefe Verpflichtung unserem Land gegenüber. [...] Im Grunde ist unsere Beziehung aber zu tief, als dass ich sie mit Worten beschreiben könnte."

Dennoch bleibt "Gelebte Geschichte" zu langatmig und einseitig und kann lediglich jenen eine Bereicherung sein, die von der eventuellen Präsidentschaftskandidatin ohnehin angetan sind.

Titelbild

Hillary Rodham Clinton: Gelebte Geschichte.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer und Ulrike Zehetmayr.
Econ Verlag, München 2003.
670 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 343011862X

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