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Berühmte Englische Frauen der Frühen Neuzeit

Von Miriam WallravenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Miriam Wallraven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Band "Englische Frauen der Frühen Neuzeit: Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen" komplettiert die Reihe "Frauen der Frühen Neuzeit" im Primus Verlag, in der bisher einflussreiche französische, italienische und deutsche Frauen in Leben und Werk gewürdigt wurden. Im Zentrum des vorliegenden Bandes stehen Schriftstellerinnen und Philosophinnen (die Bezeichnung "Dichterinnen" im Untertitel ist in diesem Kontext eher verwirrend), weil schreibende Frauen durch Kanonrevisionen und akribische Forschungsarbeit der feministischen Literaturwissenschaft und der Genderforschung in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt worden sind. So war Virginia Woolfs Essay "Ein Zimmer für sich allein" (1929) sowohl mit der Klage über das mangelhafte Wissen zu schreibenden Frauen in der Frühen Neuzeit, als auch mit der Vorstellung einer imaginären Schwester Shakespeares wegweisend in dem Versuch, eine Traditionslinie weiblicher Schreibpraxis herauszuarbeiten. Was Virginia Woolf zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch Probleme bereitete, ist in den letzten Jahrzehnten Erkenntnis der Wissenschaft geworden, und der Band "Englische Frauen der Frühen Neuzeit" ist in diesem Kontext ein eindrückliches Zeugnis der Vielseitigkeit und des Einflusses des Schreibens und Denkens von Frauen.

Während der Schwerpunkt des Bandes aus verständlichen Gründen auf den schreibenden Frauen liegt, werden jedoch auch die Malerin Mary Beale, die Dichterin und Malerin Anne Killigrew sowie die Mäzenin Elisabeth I. und die Herausgeberin, Autorin, Übersetzerin und Mäzenin Mary Sidney Herbert in ihrem Leben, Einfluss und Selbstverständnis dargestellt. Der Band zeichnet sich besonders dadurch aus, dass jede der 14 portraitierten Frauen in ihrem spezifischen Zeit-, Familien- und intellektuellen Kontext situiert und interpretiert wird. Zudem liegt ein wichtiger Fokus bei den schreibenden Frauen auf ihren Werken und deren entstehungsgeschichtlichen Umständen sowie ihren inhaltlichen Charakteristika, die literaturgeschichtlich und literaturtheoretisch für den begrenzten Rahmen des Bandes sehr detailliert und tiefgehend eingeführt werden. Der "Spagat" zwischen autobiographisch-historischem und literaturwissenschaftlich-textbezogenem Ansatz wird daher in jedem der Aufsätze hervorragend bewältigt. Dies ermöglicht ein vergleichendes Lesen der verschiedenen Frauenportraits und vermittelt ein facettenreiches und spannendes Bild der Frühen Neuzeit. So wird besonders deutlich, dass die "berühmten" Frauen zum Heraustreten aus der präskribierten weiblichen Sphäre der Privatheit und zur Transgression weiblicher Verhaltensvorschriften wie Bescheidenheit, Sittsamkeit und Gehorsam gezwungen waren. Die jeweiligen Konsequenzen, die sich aus einem solchen Bewusstsein ergeben, sind wiederum mit der Klassenzugehörigkeit, der Bildung und den politischen Rahmenbedingungen verknüpft. "Weiblichkeit", so wird deutlich, situiert sich im komplexen Zusammenspiel sozialer, politischer und religiöser Faktoren, deren genaue Analyse in den verschiedenen Aufsätzen geleistet wird.

Die Bandbreite der Themen rangiert dabei von proto-feministisch expliziter Analyse der Benachteiligung von Frauen (Margaret Cavendish, Aemilia Lanyer, Anne Finch) über die religiös-weltabgewandte Idee einer Frauengemeinschaft (Mary Astell) bis hin zum Plädoyer für eine platonische Freundschaft zwischen Frauen (Katherine Philips). Die Selbstdarstellung der Frauen bewegt sich daher zwischen den Polen von exzentrischer Individualität (Margaret Cavendish) über die Betonung von religiösem Gehorsam (Margaret More Roper) zum selbstbewussten höfischen self-fashioning (Lady Mary Wroth).

Die Frauen werden im Kontext der patriarchalischen Machtverhältnisse situiert. Während manche durch das Schreiben und insbesondere das Publizieren ihrer Werke in Gefahr geraten, ihren Ruf zu verlieren oder Skandale zu verursachen (Aphra Behn, Delarivier Manley), werden andere Frauen ganz entscheidend von einflussreichen Männern gefördert. Margaret More Roper genießt die Freundschaft und Unterstützung ihres berühmten Vaters Thomas More, der ihr und ihren Schwestern die Bildung ermöglichte, die in der Frühen Neuzeit eigentlich ein männliches Prerogativ darstellte. Mary Beales Gemälde entstehen mit der Unterstützung ihres Ehemannes, und Margaret Cavendish wird von ihrem Mann zum Schreiben und Publizieren ihrer Werke ermutigt.

Der Band "Englische Frauen der Frühen Neuzeit" beleuchtet jeweils das wichtige Thema der Bildung in der Biographie und für die Werke jeder berühmten Frau. Entgegen den gesellschaftlichen Erwartungen zur Mädchenbildung erhalten manche Frauen wie Elisabeth I., Anne Killigrew, Mary Sidney Herbert und Margaret More Roper eine umfangreiche humanistische Ausbildung. Auch der Austausch und der Kontakt mit männlichen Intellektuellen machen deutlich, dass viele der Frauen schon zu Lebzeiten geschätzt und häufig auch bis zu einem gewissen Grad in intellektuelle männliche Zirkel integriert waren oder in Briefkontakt mit einflussreichen Männern standen (Mary Astell, Lady Mary Wortley Montagu).

Die Bandbreite weiblichen Lebens und Schreibens in der Frühen Neuzeit erschließt sich den Lesern außerdem durch die Beleuchtung von Standes- und Klassenunterschieden zwischen den Frauen sowie durch die Betrachtung der vielfältigen Gattungen, derer sich die schreibenden Frauen bedienen. Während Aphra Behn als erste Berufsschriftstellerin in verschiedensten Gattungen bekannt wurde, erweisen sich die Leistungen der anderen Frauen als nicht weniger beeindruckend. Lady Mary Wroth ist die erste englische Frau, die einen Sonettzyklus, eine Prosaromanze und eine Komödie verfasste. Margaret Cavendish verfasste und publizierte nicht nur ihre eigene Autobiographie, eine Biographie ihres Mannes, Lyrik, Prosa, Dramen, sondern auch naturwissenschaftlich-philosophische Schriften. Mary Astell schrieb philosophische Abhandlungen über Frauenbildung und Ehe. Delarivier Manleys Bekanntheit verdankt sich ihren Theaterstücken, Briefsammlungen und insbesondere ihren skandalösen Schlüsselromanen. Lady Mary Wortley Montagu, die chronologisch letzte Autorin des Bandes, beeindruckte durch ihren Reisebericht aus dem Orient in Briefen.

Der Band "Englische Frauen der Frühen Neuzeit" zeichnet sich durch wissenschaftliche Präzision aus (mit detaillierten Anmerkungen und weiterführenden Lektürehinweisen), ohne dabei in irgendeiner Form trocken zu wirken. Damit werden die Künstlerinnen, Mäzeninnen und Autorinnen in ihrem Leben, ihrer Wirkung und ihrem Werk endlich auch einem deutschsprachigen Publikum auf zugänglich gemacht.

Titelbild

Gesa Stedman (Hg.): Englische Frauen der frühen Neuzeit. Dichterinnen - Malerinnen - Mäzeninnen.
Stedman, Gesa.
Primus Verlag, Darmstadt 2001.
240 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3896784161

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