Mannsbilder

(Re)produzierte (Sprach-)Bilder der Familie Mann

Von Michael GriskoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Grisko

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als im Herbst 2002 die Familie Mann in dem Dokudrama-Dreiteiler von Heinrich Breloer eine quotenträchtige Wiederauferstehung feierte, war es vor allem Armin Mueller Stahls Verkörperung von Thomas Mann, der die Feuilletonisten begeisterte. Aber nicht nur das Fernsehen und damit die audiovisuellen Medien haben sich ein facettenreiches Bild von der wohl berühmtesten deutschen Schriftstellerfamilie gemacht. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts waren es vor allem die Karikaturisten, die sich liebevoll, spöttelnd, boshaft und gezielt ehrverletzend mit der Familie, besonders aber mit dem Brüderpaar Heinrich und Thomas Mann auseinandergesetzt haben. Eine repräsentative Auswahl dieser aus spitzer Feder stammenden Bildzeugnisse konnte man zunächst in einer Ausstellung in Zürich bewundern, die danach in Lübeck und Berlin zu sehen war. Der großformatige Katalog "Thomas und Heinrich Mann im Spiegel der Karikatur" von Thomas Sprecher und Hans Wisskirchen, erschienen im Münchner Fink Verlag, ermöglicht einen posthumen Ausstellungsbesuch im heimischen Wohnzimmer.

Die beiden Herausgeber setzen auf die eindringliche Kraft der Bilder, umreißen in ihren kurzen, die wichtigsten Schwerpunkte knapp streifenden Einführungsessays die geschichtlichen und ästhetischen Rezeptionsmechanismen und weisen auf deren auch in den Exponaten vertretenen aussagekräftigsten Highlights hin. In den Fundstücken, die nicht auf Vollständigkeit abzielen, sondern den exemplarischen Charakter hervorheben und dies vornehmlich für den deutschsprachigen Raum, lässt sich - geradezu lehrbuchgemäß - die mittlerweile kanonisierte Rezeptionsgeschichte der Brüder nachvollziehen. Gerät um die Jahrhundertwende zunächst der literarisch reüssierende Heinrich Mann in das Visier der Karikaturisten und gesellt sich Thomas Mann etwas später hinzu, werden sie in den 20er-Jahren gemeinsam und auch als Familie wahrgenommen. Eine geradezu perfide Hochzeit erleben die beiden Schriftsteller und Intellektuellen zu Beginn der 30er-Jahre, als die Nationalsozialisten in der Satirezeitschrift "Die Brennessel" gezielt zum visuellen Angriff und zur Verspottung der beiden Brüder übergingen. Nach dem zweiten Weltkrieg war es hauptsächlich Thomas, der in das Literatur- und damit auch in das Bildgedächtnis der Deutschen zurückkehrte. Der ältere Bruder Heinrich blieb, wie seine Werke, außen vor. Wobei es dennoch auffällig ist, dass sich die Zeichner vor allem an seinem bürgerlichen Habitus und weniger an seiner vermeintlich linksliberalen Haltung abarbeiteten.

Deutlich wird, dass neben dem durchgängig präsenten unterhaltenden Element, die Zeichner die intellektuelle Auseinandersetzung sowie die politische Konfrontation suchten und die Produkte - nicht nur in ihrem Publikationskontext - eine instrumentelle Funktion wahrnahmen. Mit dieser Funktionalisierung ist auch die Notwendigkeit eines realen Referenzpunktes verbunden. Dies konnte das Spiel mit bekannten Charaktereigenschaften, physiognomischen Auffälligkeiten und Besonderheiten der Person (im Falle Thomas Manns die Nase und der Seitenscheitel) und mit ästhetischen Besonderheiten des Werkes sein. Aber auch reale Ereignisse und bekannte Vorbilder konnten als Bezugspunkt dienen. So etwa im Falle einer besonders perfiden Karikatur aus dem Jahr 1933, die Heinrich Mann in Anlehnung an den Film "Der blaue Engel" als Marlene Dietrich auf dem Fass sitzend zeigt, einen Zeitungsausschnitt abbildet und den Leitsong der Dietrich in "Ich bin von Kopf bis Fuss auf Juda eingestellt" umtextet. Die Herausgeber haben sich in einigen Fällen die lobenswerte Mühe gemacht, die Originale neben die Karikaturen zu stellen, um so die ikonografischen Verbindungen noch deutlicher herauszulesen.

Ergänzt wird dieser nicht nur für Mann-Kenner unterhaltsam und mit Gewinn zu lesende Band durch einige frühe Zeichnungen der beiden Brüder für ein Kinderbuch und eine kleinere Auswahl unlängst entdeckter 'erotischer' Zeichnungen aus Heinrich Manns Exilzeit. Ebenfalls abgedruckt und mit einer kurzen Einleitung von Uwe Naumann versehen sind einige die Familie Mann karikierende Textsatiren. Diese sind vollständig abgedruckt in dem vom gleichen Autor herausgegebenen, mit einem kursorischen Vorwort versehenen und bei Rowohlt erschienenen Band "Mann oh Mann. Satiren und Parodien zur Familie Mann". Das kleine, attraktiv aufgemachte Bändchen versammelt Textparodien und -satiren unterschiedlichster Qualität aus den letzten knapp 100 Jahren. Auffällig ist einmal mehr der durch die Jahre zu beobachtende starke Thomas Mann-Bezug. Die Textsatiren sind weniger eingängig, unvermittelter und indirekter. Gelegentlich braucht es mehr als nur einen editorischen Hinweis, um den literarhistorisch ungeschulten Leser auf die Referenzstellen hinzuweisen. Als willkommene und gar nicht despektierliche Lesehilfe hätte sich hier ein kurzer editorischer Hinweis und Kommentar zu Beginn der jeweiligen Texte angeboten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Textzeugnisse trotz aller Unterhaltsamkeit in Zielrichtung und inhaltlicher Dichte doch sehr heterogen sind.

Die zwischen intellektuell-unterhaltender Betrachtung und politisch-instrumentalisierter Funktionalisierung bzw. bürgerlicher Analyse schwankenden Text- und Bildsatiren belegen einmal mehr die Ausnahmestellung der Familie Mann in der Geschichte und Gegenwart der deutschsprachigen Kultur. Beide Bände setzen weniger auf Vollständigkeit denn auf repräsentative Zeugnisse einer bislang verdeckten Rezeptionsgeschichte. Beide versprechen einen intellektuellen Genuss, gelegentlich lautes Lachen, denn der Umgang mit der Familie Mann war trotz aller Hochachtung nicht immer zimperlich.

Titelbild

Uwe Naumann (Hg.): Mann oh Mann. Satiren und Parodien zur Familie Mann.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003.
192 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3499236451

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Thomas Sprecher / Hans Wißkirchen (Hg.): Thomas und Heinrich Mann im Spiegel der Karikatur.
Wilhelm Fink Verlag, München 2003.
228 Seiten, 40,00 EUR.
ISBN-10: 3770539214

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