Japan meets Frankreich

Die visuelle Ästhetik des zeitgenössischen italienischen Comics

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wunder, sagt man, geschehen immer wieder - gerade dann, wenn man am allerwenigsten damit rechnet. Ein solches Wunder ist der neue Comic des Italieners Igort mit dem Titel "5 ist die perfekte Zahl". Warum soll ein Comic ein Wunder sein? Aus drei Gründen: weil es ein ebenso gescheites wie brillant erzähltes Buch ist, weil es zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat (darunter "Comic des Jahres" auf der Frankfurter Buchmesse) und weil es in einem kleinem deutschen (und sehr jungen) Verlag erschienen ist, der sich - wie bereits in der Vergangenheit - durch gestalterische und verlegerische Sorgfalt auszeichnet.

Der Inhalt ist schnell zusammengefasst. Neapel in den 70ern: Peppino, Mafioso im Ruhestand, muss erleben, wie sein Sohn Nino - Auftragskiller bei der Mafia - verraten und getötet wird. Der Rachefeldzug des Vaters löst einen Bandenkrieg aus; doch als Peppino den Mörder stellt, besinnt er sich eines besseren und lässt ihn laufen. Doch der kommt mit seinen Männern zurück und eine finale Schießerei beginnt.

Die Handlung nimmt zunächst kaum für sich ein. Die wahre Meisterschaft Igorts zeigt sich hingegen in den Verschiebungen der Erzählebenen. Zu einem guten Teil ist das der Zeichen- bzw. der Drucktechnik geschuldet. Die Duotonebilder - d. h. die Unterlegung der schwarzweißen Tuschezeichnungen mit blauer Schmuckfarbe - dienen nicht nur der Schattierung oder Kennzeichnung von Tageszeiten, sondern entwickeln - oftmals im Hintergrund - einen eigenen Kommentar. Vor allem die "stummen" Seiten, die Stimmungen vermitteln oder Handlungen parallel führen, erlangen so eine ganz eigene Ausdrucksstärke. Der Zeichenstil führt auf frappante Weise die franko-belgischen "ligne claire" mit der visuellen Ästhetik der japanischen Mangas zusammen (notabene Der Comic entstand vor bereits mehreren Jahren in Japan) - also Statik mit Aktion. Dass dies - und auch die zahlreichen Erzählexperimente (Voraus- und Rückgriffe, Parallelführungen) - gelingen kann, ist die Frucht vieler Jahre grafischer Erzählexperimente. Es bleibt zu hoffen, dass derartig Hochwertiges noch des öfteren produziert und in Deutschland gedruckt werden wird.

Titelbild

Igort: 5 ist die perfekte Zahl.
Übersetzt aus dem Italienischen von Ingrid Ickler.
avant-verlag, Berlin 2002.
176 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-10: 3980772527
ISBN-13: 9783980772525

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