In Unkenntnis des Performativen

Anna Opels Dissertation über die Gegenwartsdramatik bei Werner Fritsch, Rainald Goetz und Sarah Kane

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um es vorwegzunehmen: Die These, die Anna Opel in ihrer Dissertation aufstellt, ist ebenso einleuchtend wie faszinierend; der Beleg am Text aber bleibt unbefriedigend. Opel geht von der Grundannahme aus, dass die sich verselbstständigende dramatische Sprache die theatrale Figur (als Zusammenhang von Sprache und Körper) verdränge und zum "Sprachkörper" wird. Indem Opel einerseits die Thematisierung des Körpers in den Texten von Werner Fritsch, Rainald Goetz und Sarah Kane verfolgt und andererseits die rhythmischen und klanglichen Qualitäten der Sprache untersucht, kommt sie zu dem Ergebnis, dass "nicht die Figur, sondern die Sprache spricht."

Es gelingt Opel nicht, die Belege zum Themenfeld "Körper" und "Sprache" in einen schlüssigen Argumentationszusammenhang einzurücken - das wirkt eher wie eine Materialsammlung. Ärgerlich auch, dass Opel immer wieder die gleichen Belegstellen anführt - ein Zeichen unzureichender Lektüre der Primärtexte? Zudem sind diese Stellen aus der Sekundärliteratur wohlbekannt - da hätte es sich doch angeboten, die These am Gesamttext zu überprüfen und nicht nur anhand des ohnehin bekannten und zuspitzenden Zitatmaterials. Auch die Verwendung von Epitexten (Interviews etc.) scheint mir zu exkursorisch. Überhaupt: Mit dem Begriff des Exkursorischen ist Opels Umgang mit den Primärtexten zutreffend bezeichnet. Statt eine biblio-biographische Einleitung bei jedem der drei Autoren zu geben, hätte sich eine in die Tiefe gehende Analyse mehrerer Theatertexte angeboten (statt nur eines einzelnen) - schließlich geht es Opel ja um die "zeitgenössische Dramatik". So aber hat sie ihre Theorie an nur je einem Stück von drei Autoren nachweisen können.

Das ist um so bedauerlicher, als das Bändchen mit seinen 194 bedruckten Seiten Platz böte. Ebenso ärgerlich ist auch die unzureichende Differenziertheit gegenüber z. B. dem Gattungsgedanken. In Ansätzen folgt Opel der richtigen Spur, wenn sie von Goetz' Textperformanz schreibt - gerade der Monolog kennzeichnet ja die Gegenwartsdramatik. Was hätte da näher gelegen, als unter dem Aspekt des Performativen eine Theorie der Vereinigung von Sprache und Körper in einem "Sprachkörper" zu überprüfen?

Fragwürdig scheint mir auch Opels Vorgehen, in einigen Fällen eine Beschreibung von Textinszenierung(en) an die Textanalyse anzuhängen - teils nur mittels Theaterkritiken. Hier scheint mir eine mangelnde Differenzierung von Sprachperformanz, Textanalyse und Theaterperformanz vorzuliegen. Schade auch, dass der Verlag dem Buch in Form gelegentlicher Satzfehler und verrutschter Absätze eine geringfügige, aber störende Nachlässigkeit entgegengebracht hat.

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Anna Opel: Sprachkörper. Zur Relation von Sprache und Körper in der zeitgenössischen Dramatik - Werner Fritsch, Reinald Goetz, Sarah Kane.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2003.
194 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 389528369X

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