Zu dieser Ausgabe

Seit Freuds "Traumdeutung", einem Paradetext der Frühen Moderne, ist die Frage nach der besonderen Kompetenz der Dichter und der Dichtung für die Sprache und die Botschaft der Träume fundamental anders und fundamental neu gestellt worden. Und die Akzeptanz des Traums, des Träumens und des Tagträumens ist heute weitaus größer als noch vor hundert Jahren. Träumen wird nicht mehr nur den Wenigen, den Schamanen oder Dichter-Sehern, als bedeutsam zugemessen, sondern praktisch jedermann. Gleichwohl wird den Dichtern noch immer eine 'eigene' Kompetenz auf dem Gebiet des Traums zugesprochen - Freud sah sie sogar als seine Gewährsmänner an, und in Modellanalysen versuchte er diese Kompetenz zu erweisen.

Den Literatur- und Traum-Schwerpunkt dieser Ausgabe verdanken wir der Initiative von Waldemar Fromm und Christina Scherer. Sie haben die Akzente gesetzt, die Bücher bestimmt und die Rezensenten eingeladen. Ihnen und ihren Mitarbeitern gilt unser Dank.

Die Literatur- und Kulturwissenschaften haben mittlerweile einiges zur Rekonstruktion und Präzision der Freud'schen Lehre beigetragen, aber auch jenseits und unabhängig von Freud nach der Erkenntnisleistung von Literatur und Traum gefragt. Andere Medien, besonders prominent der Film, arbeiten mittlerweile gezielt mit kulturellem Traum-Wissen, so dass zunehmend medienübergreifende, kulturgeschichtliche Fragestellungen in den Blick kommen. Wo und wie das geschieht, dies versucht die neue Ausgabe von literaturkritik.de an ausgewählten Beispielen zu zeigen.

Ferner enthält literaturkritik.de im April einige Messesplitter aus Leipzig, würdigt in einem Essay von Johan Frederik Hartle das Werk des französischen Philosophen Alain Badiou und bietet zahlreiche Rezensionen zu aktuellen Neuerscheinungen sowie zu unseren traditionellen Schwerpunktbereichen.

Lutz Hagestedt