Ines Riefenstahl

Sarah Khans "Eine romantische Maßnahme"

Von Dirk FuhrigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dirk Fuhrig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Amerikaner in Heidelberg. William, Student der Germanistik und Geschichte, Anfang 20, ist aus den USA an den Neckar gekommen. Er liebt die Stadt, weil er ein Faible fürs Alte, Vergangene hat. Möbel vom Flohmarkt, Schellackplatten, enge Gassen. Und auch die Studentenverbindungen in der ehrwürdigen Universitätsstadt lassen ihn nicht kalt.

Sarah Khan - Hamburgerin, die seit einigen Jahren in Berlin lebt -, lässt ihren Roman in kleinstädtischer Atmosphäre spielen. Die deutsche Klischee-Metropole erscheint als feste Burg der Tradition. Wir schreiben das Jahr 1989, aber von Wende-Begeisterung ist zwischen den Heidelberger Fachwerkhäusern wenig zu spüren. Nicht nur die Veränderungen in Ostdeutschland scheinen hier spurlos vorüber zu gehen. Auch der Zweite Weltkrieg hatte Heidelberg schon weitgehend ungeschoren gelassen. Die amerikanischen Flieger-Generäle sparten die Stadt aus, weil sie später ihre Kinder zum Studieren hinschicken wollten, so legt das Buch es nahe. Und das, obwohl Heidelberg ausgerechnet einer der Lieblingsorte diverser Nazi-Größen war.

In Heidelberg also macht der amerikanische Student William die Bekanntschaft einer alten Frau, die in einer noch älteren Villa residiert, in der sie Preziosen aus den 30er Jahren sammelt: Löffel von Eva Braun, Teegeschirr von Göring, eine Standuhr von Leni Riefenstahl.

Die Devotionalien-Sammlerin Ines Kochenrath trägt selbst Züge der umstrittenen Fotografin. Und sie scheint mehr als großmütterliche Gefühle für den blonden Jüngling von jenseits des Atlantiks zu hegen. Er erinnert sie an den Traumschiff- und Schwarzwaldklinik-Playboy Sascha Hehn. William wiederum hat sein Herz in Heidelberg an einen jungen Mann verloren, der sich vor seiner Zuneigung in eine schlagende Verbindung geflüchtet hat.

Leben und lieben am Neckarstrand. Während seine Beschäftigung mit der alten Dame und der Vergangenheit zunimmt, verliert der stotternde junge Held William immer mehr an Persönlichkeit und Kontur.

"Ein romantische Maßnahme" beginnt wie ein spätpubertärer Campus-Roman und entwickelt sich zum Historien-Krimi. Es mag an Sarah Khans binationaler Herkunft liegen, dass sie sich in derart unbeschwerter Weise in der deutschen Geschichte bedienen kann. Manches wirkt durchaus ein bisschen wahllos zusammengewürfelt. Vergangenheits-Kult, reaktionäre Burschenschafts- Klüngelei, das Leni-Riefenstahl-Motiv, die latente Homosexualiät, Heidelberg, Sascha Hehn - mitunter hat man den Eindruck, die Autorin habe blind in einen Geschichts-Topf gegriffen, einzelne Teile herausgefischt und zu Dekorations-Elementen in ihrem Buch verarbeitet.

Aber Sarah Khan erzählt unangestrengt, mit leichter Hand und viel Humor. Kühne Anspielungen, waghalsige Mutmaßungen geben diesem Roman Elan und halten ihn zusammen. Krieg, Nazi- und Nachkriegszeit, amerikanische Besatzung und Wiedervereinigung bilden die Kulissen für Williams Suche nach dem Glück. "Eine romantische Maßnahme" ist kein tiefschürfendes Werk. Es ist eine Komödie. Ein flottes, respektloses Buch, in dem die deutsch-pakistanische Autorin ihren spöttischen Blick auf deutsche Kuriositäten richtet. Vor allem aber erzählt sie die Geschichte eines jungen Mannes, der sich bei seinem Versuch der Selbstfindung statt in Liebesdinge in die Vergangenheit verstrickt. Und daran still und leise scheitert.

Titelbild

Sarah Khan: Eine romantische Maßnahme. Roman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
240 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3821807512

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