Schönheit, Gendiskurs und Lara Croft

Die neue Ausgabe der "Feministischen Studien" beleuchtet Inszenierungen, Konstruktionen und Imaginationen von Geschlecht

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Inszeniert, konstruiert, imaginiert" lauten die drei Stichworte des Themenschwerpunktes in der neue Ausgabe der "Feministischen Studien", der genderdiskursive Zugänge aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und unter diversen Aspekten ermöglicht. Während Vanessa Künnemann und Inga Lindemann englische Kriegdichtungen als "Spiegel einer traumatischen Männlichkeitskrise" beleuchten, untersucht Marianne Flassbeck den "prophetischen Surrealismus" in dem 1974 erschienen Roman "The Hearing Trumpet" der Künstlerin und Schriftstellerin Leonora Carrington und kommt zu dem Fazit, dass diese "Parabel auf alle Formen pseudoreligiösen, hegemonialen Gralsrittertums" "erschreckend aktuell" ist.

Nina Degele stellt hingegen Überlegungen zu Heteronormativität und Schönheitshandeln an. Schönheitshandeln, so ihre Definition, ist ein "Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung zum Zweck der Erlangung von Aufmerksamkeit und Sicherung der eignen Identität dient". Als solches konstruiert es - neben zahlreichen anderen Faktoren - auch Geschlecht und nicht etwa umgekehrt. Erkenntnisziel des Beitrages ist die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit sich dieser Konstruktionsprozess "in den Bahnen heteronomer Ordnungsprinzipien" abspielt. Überzeugend legt die Autorin dar, dass die "[o]mnipräsente Heteronormativität" zusammen mit der Notwendigkeit ihrer Kontextualisierung ein Spannungsverhältnis bildet, das Schönheitshandeln zwar rekonstruieren, nicht aber auflösen kann: Auch als Schönheitshandeln kann Widerstand gegen "das diskursive Regime der Normalisierung" den "heteronormativen Rahmen" nicht sprengen.

Mit dem Gendiskurs, den er als "Bestandteil einer politischen Strategie" analysiert, wendet sich Thomas Lemke einem ganz anderen Thema zu. Unter Rekurs auf Foucaults Konzept der Gouvernementalität und anhand einiger weniger Beispiele zeigt er auf, wie die medizinische "Privilegierung genetischer Erklärungsmodelle" zu "neuen oder veränderten Formen patriarchaler Herrschaft" beiträgt.

Jutta Zaremba schließlich konzentriert sich in ihrem nicht uninteressanten Aufsatz zu Computerheldinnen und ihren weiblichen Fankulturen im wesentlichen auf die Pixel-Heroine Lara Croft, wobei sie allerdings Astrid Deuber-Mankowskys wichtige Arbeit "Lara Croft. Modell, Medium, Cyberheldin" nicht berücksichtigt.

Wie stets, so beschließen auch diesmal etliche Rezensionen und einige Tagungsberichte den Band. Daniela Janser etwa besuchte im Oktober 2003 eine Diskussionsveranstaltung am Institut für Theorie der Gestaltung und Kunst, auf der über den Begriff Gender gestritten wurde. Die Berichterstatterin beklagt die auf dem Podium herrschende Unklarheit, was mit dem Terminus denn nun gemeint sei. Eine "Begriffsverwirrung", die sich in ihrem Bericht allerdings fortsetzt. Was vielleicht zu verschmerzen wäre, träfe es denn zu, dass das Konzept Gender "kaum noch erkenntnisbringende oder emanzipatorische Sprengkraft" birgt.

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Feministische Studien Heft 1/2004. Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung.
Lucius und Lucius Verlag, Stuttgart 2004.
158 Seiten, 15,00 EUR.
ISSN: 97235186

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