Zum Korea-Schwerpunkt

Lange Zeit stand Korea aus westlicher Sicht im Schatten seiner mächtigeren Nachbarn im Westen und Osten, China und Japan. Das hat sich mittlerweile geändert. Dennoch denkt man bei Korea immer noch eher an sportliche Großveranstaltungen oder Unterhaltungselektronik als an Literatur.

Eine Tradition der Übersetzungen aufzubauen, wie sie für Übertragungen aus einer gänzlich anders gebauten Sprache notwendig ist, braucht eben Zeit; und über Jahrzehnte war der literarische und sprachliche Austausch zwischen Korea und Deutschland recht einseitig. Einer lebhaften Rezeption deutscher Literatur, Philosophie, Musik und nicht zuletzt des freilich von der Kolonialmacht Japan aufgezwungenen deutschen Rechts im Osten stand Gleichgültigkeit im Westen gegenüber. Abgesehen von wenigen Ausnahmen blieb deshalb die koreanische Literatur deutschen Lesern unzugänglich.

Dank einer großzügigen Übersetzungsförderung von koreanischer Seite beginnt sich das seit einem knappen Jahrzehnt zu ändern. Anfangsschwierigkeiten waren unvermeidlich. Nicht allen Übersetzern gelang über die korrekte Wiedergabe von Inhalten hinaus eine poetisch überzeugende Sprache. Doch liegen mittlerweile zahlreiche Bücher vor, die mehr Beachtung verdienen, als ihnen meist zuteil wurde. Eine viel lebhaftere Aufnahme koreanischer Literatur in Frankreich zeigt, dass es hier manches zu entdecken gibt. Ein gutes Jahr, bevor Korea in Deutschland zum Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse wird, soll hier nun also ein erster Überblick gegeben werden. Besonders erhellend sind hoffentlich die Kritiken der koreanischen Rezensenten und Rezensentinnen, die gerne der Einladung gefolgt sind, ihre Sicht auf die Literatur ihres Landes vorzustellen.

Überblickscharakter hat besonders der einleitende Essay von Ludger Lütkehaus, der repräsentative Werke aus den Bereichen Essay, Lyrik und Roman nachzeichnet und mit der wechselvollen und allzu gewaltsamen Geschichte Koreas im 20. Jahrhundert in Beziehung setzt. In den folgenden Beiträgen wird nicht nur über Autoren gesprochen, sondern auch mit ihnen. Interviews mit dem Erzähler Yi Munyol und dem Dramatiker Oh Tae-Suk erlauben Einblicke in sehr unterschiedliche Schreibweisen. Ein abschließender Block ist Büchern zu Politik, Gesellschaft und Sprache gewidmet.

Fast durchgehend ist die koreanische Reihenfolge der Namen gewahrt: Der Familienname steht am Beginn. Eine Ausnahme wurde nur bei den bibliographischen Angaben gemacht.