Etwas verwirrt und doch amüsiert

Janusz Glowacki thematisiert eine Unterhose, die Lotterie und den "letzten Gerechten"

Von Sabine KlomfaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Klomfaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

New York, Ende Juli, so gegen sieben Uhr. "Ganz in der Nähe tobte Hurrikan Alan und die Luft war zäh und schwül." Ein Pole sitzt am Straßenrand vor einem Café und trinkt: "Nach dem ersten Scotch dachte ich, es wäre gut, nach drinnen umzuziehen, wo es angenehm kühl sein musste, doch nach dem dritten war es mir egal." Die New Yorker Gesellschaft hastet vorbei, Rollschuhfahrer, elegant gekleidete Paare, die in die Metropolitan eilen, Touristen, Transvestiten und Prostituierte. Ein Mann setzt sich hinzu, der auf den ersten Blick ganz normal aussieht, sich auf den zweiten als ein "Landsmann" herausstellt, und dann beginnt die Geschichte, märchenhaft, schnell und verschachtelt. Da ist zunächst besagter Landsmann, er heißt Kuba und ist die eigentliche Hauptperson der Erzählung, die er dem Polen im New Yorker Café erzählt. Aber er erzählt auch, dass er den anderen immer wieder zuhören muss, wie die wiederum ihre Geschichten erzählen. Das Buch funktioniert wie ein Jazz-Klassiker, bei dem immer wieder andere Menschen kurze Soli spielen, aber der eine, Kuba, dann doch wieder die Führung übernimmt.

Es macht wenig Sinn, den Handlungsverlauf des Buches zu erzählen, jedenfalls solange nicht, bis man selbst den dritten Scotch getrunken hat - oder mehr. Es geht um eine Lotterie, an der man teilnimmt, wenn man eine der perfekten Unterhosen des Stardesigners J. J. Caine gekauft hat. Der einzige Hauptgewinn dieser Lotterie besteht in einer Anstellung als Hausmeister auf dem Caine'schen Anwesen mit einem enormen Verdienst. Dies bedeutet für Polen in den USA die Greencard und ist daher mehr wert als ein schlichter Geldgewinn. Aber Caine stirbt, Kuba gewinnt den Job, und dann geht es schneller, als man nacherzählen kann. Daher muss das Folgende reichen, um den Rest der Geschichte zu rekonstruieren: Eine Tochter ohne Körper in einem Sack, eine dicke Köchin als Verlobte, ein weibliches Schwein namens Sonia als Geliebte von Caine und Leckerbissen für Kubas Hochzeit, eine konservierte Mutter, der die Energie ausgeht, ein homosexueller Assistent, ein Diamanten fressender Pudel, und alle laufen sie, rauben, saufen und raufen sich wieder zusammen. Kuba "füllte die Gläser nach und wir tranken aus. Er glatt, ich unglücklich." Irgendwie hat die Geschichte auch ein Happy End, wenn Kuba schließlich doch reich wird, weil der Pudel nach und nach einen Diamanten ausscheidet. Was er jetzt vorhabe, fragt ihn der andere Pole. Kuba antwortet: "Als ich schon gepflügt und gesät hatte, dachte ich anfangs, dass ich einen Alkoholladen in Greenpoint aufmachen oder nach Polen fahren könnte und bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Aber auf dem Laptop der Köchin ging eine E-Mail ein, ich solle eine Hausverwaltung in New York übernehmen. Na, da richtete ich diesen Rolls-Royce her, montierte einen Anhänger daran, lud den Pflug auf, die Köchin und die Kinder und jetzt bin ich gerade angekommen."

Die Geschichte endet abrupt, als Kubas Geschichte zu Ende erzählt ist. Der Sturm ist jetzt da, so heftig, dass der Wind die Finger ausrenkt: "Genau über mir flogen zwei Metalltonnen durch die Luft, ein Schäferhund mit Maulkorb und ein elegant gekleidetes Paar. Also war die Vorstellung in der Metropolitan wohl schon zu Ende." Die Figuren der Rahmenhandlung werden so noch einmal aufgenommen, bevor "die fliegenden gestalten Chagalls [...] sich mit den wirklichen Menschen, die über der Stadt nach oben flogen", vermischten.

Janusz Glowacki, der mittlerweile in New York lebende Autor dieser rasanten Geschichte, wurde in Posen geboren. Er gilt als feste Größe der modernen polnischen Literatur.Wenn es so etwas gibt wie eine spezifisch polnische Haltung zum Leben und seinen Schicksalswendungen, dann bekommt man bei Glowacki tatsächlich eine Idee davon. Beeindruckend ist sein subtiler Humor, über den man erst viel später lachen kann, z. B. wenn man versucht, jemandem zu erzählen, was man gerade gelesen hat, immer verbunden mit einem leicht mulmigen Gefühl. Glowacki erzählt schnell und vor allem trocken: das Absurde, der Humor, der Scotch - staubtrocken. Die Frage nach dem Sinn macht bei ihm keinen Sinn mehr: Sie trotzdem zu stellen, hieße, die Erzählung des Glowacki zu verfehlen. Also muss die Rezension abrupt enden - etwas verwirrt und doch amüsiert: "Mein Gott, sah so also der letzte Gerechte aus, dachte ich, und schmiegte mich mit aller Kraft an ihn."

Titelbild

Janusz Glowacki: Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein. Roman.
Übersetzt aus dem Polnischen von Albrecht Lempp.
Studien Verlag, Innsbruck 2004.
154 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-10: 3708231562

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