Brothers in Arms

Argumentationskrücken für wackere Antiimperialisten

Von Johannes SpringerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johannes Springer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der zentrale Text eines kleinen Bandes zur Lage im Nahen Osten stammt vom Lieblingsdissidenten aller deutschen Imperialismuskritiker, die sich für Michael Moore dann doch ein bisschen zu schade sind, Noam Chomsky. Jener Chomsky, der sich ja auch gerne von stalinistisch-faschistischen Methoden verfolgt wähnt, wenn sich jemand erdreistet nachzufragen mit welcher Motivation er gerade bei Holocaustleugnern und Antisemiten wie z. B. Robert Faurisson u. a. das Recht auf freie Meinungsäußerung so vehement verteidigt. Eine Antwort dafür, die eigentlich auf der Hand liegt, bietet er auch in seinem Referat "Friedensaussichten für den Nahen Osten", das so unverfänglich-neutral klingt, dass es auch gleich zur titelgebenden Parole wurde. Denn was ihn verbindet mit Rechten und vielen Linken weltweit, ist seine sich ausschließlich auf die USA und Israel beschränkende politische Kritik, wenn es irgendwelche globalen Missstände anzuprangern gilt. Und dass der zentrale Missstand dieses Planeten die Politik Israels darstellt, ist unter den (von Chomsky) aufgeklärten Menschen zumindest in Deutschland ja keine Frage.

Erst jüngst wurde Chomsky in Oldenburg mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis für seine kritische Sicht auf die Weltordnung ausgezeichnet, was wohl bedeutet, man teilt sein Weltbild von einer alles andere in den Schatten stellenden und zu Tode dominierenden Macht USA, die mit ihrer Einmischung in den Nahost Konflikt zu Gunsten Israels einen Friedensprozess verunmögliche. Man muss es ihm schon hoch anrechnen, wenn er denn ab und zu einräumt, dass es auch unter den arabischen Anrainerstaaten und den Palästinensern Kräfte gibt, die für den Friedensprozess eine gewisse Behinderung darstellen. Diese werden aber, das verlangt der kritische Geist, sogleich als marginal vorgestellt, wenn man sich das machtvolle Blockade- und Aggressionspotential der USA und Israels vergegenwärtige. In der klassischen Logik der meisten arabischen Staaten werden auch hier die, die den Teilungsplan von 1947 für Palästina abgelehnt haben, die Unterdrückten genannt, während jüdische Opfer als Unterdrücker vorgeführt werden. Wer mit dieser Haltung die arabische Bevölkerung in die Krise geführt hat und eine mögliche gleichberechtigte Zusammenarbeit von Arabern und Juden unterminiert hat, passt nicht in Chomskys Weltbild. Es war nämlich keine Weltverschwörung oder großmachtinspirierte Arroganz, sondern simple radikalislamische Hasspolitik des Muftis von Jerusalem und der Muslimbruderschaft von Hassan Al-Banna.

Dass hier wieder Bilder vom antikolonialistischen Helden Gamal Abdel Nasser aufgewärmt werden, der positive Erwähnung findet, obwohl er häufig genug seine Vernichtungsfantasien gegenüber Israel klar formuliert und auch demonstriert hat, passt ebenso in Chomskys Analyse vom Nahen Osten wie die Beschreibung von Anwar as-Sadat als schlichtender Figur, der in seiner Amtszeit nichts Besseres zu tun hatte als antisemitischen, radikalislamischen Gruppen das Feld zu bestellen und zum Dank dafür von diesen umgebracht wurde, als er doch noch eine Verhandlungsposition zu Israel einnahm. Diese merkwürdigen Verschiebungen setzen sich damit fort, dass unentwegt die Bedrohung Israels verschwiegen wird, um die Politik Israels und vor allem die der USA als harte, kompromisslose und friedensverhindernde zu deklarieren. Deshalb ist sich Chomsky in seiner extrem einseitigen Argumentation auch nicht zu schade, eine Interpretation des Konfliktes im Nahen Osten anzubieten, die von Bemühungen und Zugeständnissen der geknechteten arabischen Staaten zum Frieden erzählt und das Torpedogewand der schon mehrfach erwähnten Achse anzieht.

"Partners in Hate" war der Titel einer Studie zu inhaltlichen Verbindungen Chomskys mit neurechten Parteigängern in aller Welt. In so schlechte Gesellschaft ist Chomsky dankenswerterweise diesmal nicht geraten. Stattdessen sind die Texte von Paul Brass und Moshe Zuckermann sowie die des Herausgebers Wolfgang Haug interessanter zu lesen, da sie nicht so sehr den Propagandaduktus Chomskys aufnehmen. Trotzdem sind auch ihre Beiträge mit Vorsicht zu genießen. So erklärt Paul Brass das zionistische Projekt zu einem imperialistischen, implizit auch rassistischen Projekt, von dem sich Israel vollständig zu distanzieren hat, will es eine gerechte Zukunft in der Region ermöglichen. Zukunft hat bei diesem Text aber eine etwas andere Dimension, da er bereits 1968 verfasst wurde und noch gänzlich im, sich allerdings auch heute wieder aktualisierenden, klassischen linken Antizionismus aufgeht. Moshe Zuckermann notiert lobend zu den beiden anderen Texten, dass sie eine gelungene Kontextualisierung des Konfliktes betrieben und daher recht hellsichtig seien. Hier sei ihm deutlich widersprochen.

Titelbild

Wolfgang Fritz Haug (Hg.): Friedensaussichten im Nahen Osten. Israel und Palästina im Spannungsfeld internationaler Interessen.
Trotzdem Verlag, Frankfurt a. M. 2003.
96 Seiten, 7,00 EUR.
ISBN-10: 3931786315

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