In der Katze liegt die Kraft

Karlfried Graf Dürckheim führt in den Zen ein

Von Rainer ZuchRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Zuch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Texte zum Zen-Buddhismus gibt es viele. Der anhaltende Esoterik-Boom hat für eine immer unübersichtlicher werdende Bücherflut gesorgt, die die Lehren des Zen für alle nur denkbaren Lebenslagen anpreisen; hier steht "Zen für Manager" neben "Zen und die Kunst des Kochens". Wer diesen manchmal eher zweifelhaften Anpassungen einer fernöstlichen Lehre an westlichen Zeitgeist mißtraut, greift deshalb lieber auf Originale zurück.

Da kommt es gerade recht, daß vor kurzem eine von Karlfried Graf Dürckheim zusammengetragene Sammlung japanischer Texte wiederaufgelegt wurde. Der Psychotherapeut und Pädagoge Dürckheim wurde nach seinem langjährigen Japanaufenthalt von 1938 bis 1948 der wohl wichtigste Vermittler des Zen-Buddhismus in Europa. Der 1886 in München geborene und 1988 verstorbene Sproß einer pfälzisch-elsässischen Adelsfamilie lernte ihn in seiner ganzen Vielseitigkeit kennen, indem er sich in der Kunst des Bogenschießens, der Tee-Zeremonie, dem Ikebana und der Kalligraphie übte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begründete er mit seiner späteren Frau Dr. Maria Hippius mit der Initiatischen Therapie eine eigene therapeutische Schule, in der er seine Zen-Erfahrungen in die Psychotherapie einfließen ließ.

Umkreist er in den meisten seiner Bücher die Möglichkeiten der Übertragung der Praktiken des Zen auf die europäische Alltagswelt, stellt die "Wunderbare Katze" eine Sammlung japanischer Texte dar, die sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit als grundlegende Darstellung des Zen zu verstehen sind. Das Buch, eine schön gestaltete faksimilierte Neuauflage der Originalsausgabe von 1964, versammelt Schriften zum Schwertkampf (Ken-Do), der Beziehung des Zen zur Lehre des Tao, Za-Zen als Übung des rechten Sitzens (Za bedeutet Sitzen, Zen Üben), Darstellungen des Zen-Weges und praktische Meditationsanleitungen.

Die Texte sind vielfältig, Lehrschriften stehen neben Aphorismensammlungen und Erzählungen mit belehrendem Inhalt. Dank der für Zen-Texte typischen Bildhaftigkeit, Präzision und Knappheit sind sie angenehm zu lesen. Die titelgebende "Wunderbare Kunst einer Katze" etwa ist die dreihundert Jahre alte Übungsanweisung einer altjapanischen Fechtschule, in der eine alte Katze ihren tierischen Kollegen und einem altgedienten Fechtmeister den Weg der wahren Kampfkunst lehrt. Schritt für Schritt legt sie dar, wie sinnlos das bloße Erlernen einer Kunst sei, wenn sie nicht vom rechten Geist geleitet werde, und als wie begrenzt selbst der "rechte Geist" anzusehen sei, wenn er noch an der Vorstellung eines von Willen und Absichten getragenen Ich hafte. Das Ich kann getroffen, Absichten und Wille sowie Ängste und Widerstände erkannt und unterlaufen werden; hat man jedoch diese Verhaftungen überwunden und das Stadium eines absichtslosen Konzentrationspunktes der als "ki" bezeichneten universellen Kraft erreicht, gibt es nichts mehr, was ein Gegner treffen könnte, da auch die Vorstellung eines "Gegners" als eines widerständigen Anderen sich auflöst. Demzufolge ist der gereifte Zen-Schüler in der Lage zu siegen, ohne zu kämpfen. In dieser der buddhistischen Lehre vom Nicht-Ich folgenden Vorstellung liegt die Idee einer universellen Harmonie beschlossen, die auf die westliche Spiritualität schon lange eine große Anziehungskraft ausübt.

Jenseits aller Zuschneidungen auf den Gebrauch bestimmter Techniken findet man hier eine umfassende Darlegung von Zen als Lebenshaltung. Wer eine Einführung in Theorie und Praxis des Zen sucht, liegt hier genau richtig.


Titelbild

Karlfried Graf Dürckheim: Wunderbare Katze und andere Zen-Texte. Mit Zeichnungen von Klaus Bertelsmann.
Scherz Verlag, München 2001.
124 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3502610800

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