Königliche Körper - Körperliche Königinnen

Ein Sammelband geht dem Zusammenhang von Körper- und Politikkonzepten nach

Von Ines HeiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ines Heiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende Band "Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500" stellt die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Europäischen Hochschulinstituts Florenz vor. Ausgehend von Kantorowicz' These der zwei Körper des Königs (body natural / body politic) beschäftigen sich die aus verschiedensten Forschungsdisziplinen stammenden Beiträge mit der Frage, welche Rolle dem (weiblichen) Körper der Königin innerhalb der politischen Konzepte seit der Frühen Neuzeit bis hin zum Starkult der Gegenwart zukommt und wie viele Körper bzw. wie viele Dimensionen von Körperlichkeit eine Königin im Vergleich zum König in sich vereint.

Grundsätzlich ist dazu zunächst anzumerken, dass diese - im Übrigen spannende - Ausgangsfragestellung mit Kantorowicz' Zwei-Körper-Konzept nicht oder nur um den Preis einer gewissen theoretischen Unschärfe in Übereinstimmung zu bringen ist: Die Zwei-Körper-These wurde von den zuständigen Juristen erstmals dezidiert für Elizabeth I. von England festgehalten; die Trennung zwischen politischem Körper als abstrakter, unsterblicher Herrschaftsinstanz, die offensichtlich in gewisser Weise als männlich imaginiert wurde und dem individuellen, "natürlichen" Körper des jeweiligen Monarchen, der mit bestimmten Defiziten - Unmündigkeit, Krankheit, Senilität oder eben auch Weiblichkeit - behaftet sein konnte, diente hier dazu, Elizabeths Anspruch auf die Herrschaft zu legitimieren. Indem man die unbestreitbare Tatsache der Weiblichkeit der Königin als Eigenschaft allein auf ihren individuellen Körper beschränkte, wurde der ewige und unveränderliche body politic des Herrschers von England als übergeordnete Größe von diesem "Defizit" nicht betroffen, so dass Elizabeths Weiblichkeit kein Ausschlusskriterium von der Herrschaft mehr bilden konnte. Nimmt man dieses Konzept ernst, so ergibt sich daraus als - etwas paradoxe - Folge: Der König (body politic) kann zwar unter bestimmten Umständen gleichzeitig eine Frau (body natural) sein; die Existenz einer Königin in Form eines weiblich konnotierten Herrschaftskonzepts dagegen ist grundsätzlich ausgeschlossen; die mögliche Weiblichkeit eines Herrschers ist ausdrücklich auf einen privaten, politisch nicht relevanten Rahmen zu beschränken.

Der Gegenstand, auf den sich die von Schulte herausgegebenen Untersuchungen beziehen, ist denn auch weniger die Frage nach dem politischen Auftreten historischer Herrscherinnen als die nach Königinnenidealen und -klischees, nach der öffentlichen Rolle, die einer Königin zugeschrieben wurde oder die sie für sich selbst entwickelte und in Anspruch nahm - Aspekte, die gerade im Kontext der Genderforschung von hoher Relevanz sind, jedoch aufgrund der oben genannten Umstände nicht unter Kantorowiczs' Zwei-Körper-Theorie zu fassen wären, da diese eine öffentliche Rolle der Frau als dezidiert femininer Königin nicht zulässt.

Trotz dieser Einwände bietet "Der Körper der Königin" eine große Anzahl überzeugender Beiträge, die jeweils das Problem weiblicher Repräsentation und Selbstdarstellung beleuchten. Die Studien befassen sich dabei mit den unterschiedlichsten Monarchinnen - die Reihe der untersuchten Frauen beginnt im ausgehenden Mittelalter mit Elisabeth von Ungarn (1409-1442) und erstreckt sich über Elizabeth I. von England, Marie Antoinette, Eugénie von Frankreich und Sissi bis hin in die jüngste Vergangenheit zu Grace Kelly, Romy Schneider und Lady Di.

Ebenso unterschiedlich wie die dargestellten Frauen sind die Techniken der Repräsentation und Image-Konstruktion, die von den Autorinnen und Autoren in das Zentrum ihrer Untersuchungen gestellt werden. Nicht nur offizielle Portraits können so in den Dienst der Repräsentation treten, auch Geschenke an nahe stehende Personen, bestimmte Verhaltens- und Kommunikationsarten, Mode (in besonders ausgeprägtem Maße) und nicht zuletzt ein angemessener Nachruf dienen dazu, das gewünschte Bild der Königin an ihre Mit- und Nachwelt weiterzugeben. Die aktive Informations- und Propagandapolitik des jeweiligen Hofes innerhalb eines Kommunikationsprozesses mit der Öffentlichkeit in In- und Ausland, die bewusste Funktionalisierung der Person der Königin als Image-Trägerin und Integrationsfigur, die bestimmte Inhalte verkörpern und so zur Stabilisierung der Herrschaft beitragen sollte, werden in den Beiträgen detailliert vorgeführt. Auf diese Weise wird ein guter Eindruck von den jeweils mit dem Bild einer Königin verknüpften Idealvorstellungen vermittelt, die über zeitliche und regionale Grenzen hinweg erstaunlich unverändert bleiben.

Die große Bandbreite sich selbst unterschiedlich darstellender Königinnen und ihrer Repräsentationstechniken scheint dabei auf den ersten Blick auch einen guten Zugang zum im Untertitel genannten Thema "Geschlecht und Herrschaft" zu bieten. Diese Möglichkeit bleibt jedoch - wie oben bereits angedeutet - weitgehend ungenutzt: Außer Elizabeth I. und Queen Anne sowie Elisabeth von Ungarn, die zumindest zeitweise politisch agierte, ist kaum eine der untersuchten Königinnen Herrscherin im eigentlichen Sinne. Die meisten großen Herrscherinnen des behandelten Zeitraums wie etwa Maria Theresia von Österreich oder Zarin Katharina die Große werden -wenn überhaupt - nur am Rande erwähnt, ohne dass ihr Herrschaftsverständnis und ihre Legitimationspraxis, ihre Selbstdarstellung als Herrscherinnen näher erörtert würden. Nicht Herrscherinnen werden hauptsächlich porträtiert, sondern "Königinnen" - Ehefrauen des Königs, die als verehrte Landesmütter schön, fromm, wohltätig und auf unaufdringliche Weise gebildet eine Projektions- und Identifikationsfläche für die Bevölkerung bilden konnten, ohne jedoch jemals aktiv Herrschaft auszuüben und tatsächlich Macht zu besitzen. In dieser Hinsicht hätte es Band und Forschungsprojekt gut getan, wäre man politischer vorgegangen und hätte sich bewusster mit Kantorowicz' Konzept und dessen Folgen auseinander gesetzt: Eine Untersuchung von weiblicher Herrschaft und deren Repräsentation hätte sicher noch spannendere Ergebnisse hervorgebracht als die hier vorliegenden - wenn auch solide recherchierten und im Einzelnen durchaus informativen - Studien über die Damen an der Seite des Königs.

Titelbild

Regina Schulte (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500.
Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
366 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-10: 359337112X

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