"Man ist ja immer auf der Suche"

Eine wunderschöne Bildbiografie über Brigitte Reimann

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bildbände über Autorinnen und Autoren sind ein Muss, befriedigen sie doch den voyeuristischen Anspruch der Lesenden und zeigen die Person hinter dem Werk, wenn auch nur auf Fotos. Zudem bieten sie jenseits des Medienrummels und der Selbstinszenierung von Schreibenden die Möglichkeit der eher kontemplativen Betrachtung, die dem Lesen ähnelt.

Handelt es sich um eine bereits verstorbene Autorin - wie im vorliegenden Buch -, gibt es einen weiteren Vorteil. Das Betrachten der Bilder und Dokumente wird zu einer Zeitreise, die nicht nur die Autorin, sondern auch Umgebung, Häuser, Freunde, Gesten, Kleidung, Zeitgenossen, Landschaften und damit Atmosphäre einfängt.

Die beiden Herausgeberinnen, Heide Hampel und Margrid Bircken, umschreiben das Projekt so: "Ermutigt durch unsere Ausstellungsprojekte über Brigitte Reimann anläßlich ihres 70. Geburtstages haben wir es unternommen, in einer Zusammenschau von Wort und Bild die Erfahrungswelten Brigitte Reimanns sinnlich erlebbar zu machen."

Das ist ihnen auch gelungen. Umrahmt mit Zitaten aus Erzählungen und Roman, Briefen, Tagebüchern der Autorin, dazu Äußerungen von Zeitgenossen, bringen 290 (!) Abbildungen das Leben einer Autorin nahe, die wie kaum eine andere für den Aufbruch der 1950er Jahre und die einsetzende Resignation nach 1965 innerhalb der DDR-Literatur steht. Der Band ist eine Hommage an eine Schriftstellerin, die kompromisslos und voller Lebenslust zwei Leidenschaften verfolgte: das Schreiben als künstlerische Leidenschaft und den Aufbau des sozialistischen Staates als politische Leidenschaft. In ihren Erzählungen und dem unvollendet gebliebenen Roman "Franziska Linkerhand" ist diese stets dem Subjekt zugewandte Position klar gezeichnet.

Die Bildbiografie geht den Lebensstationen nach. Kindheit und Jugend in Burg, dann Kinderlähmung, eine tief prägende Erfahrung, an die Brigitte Reimann Zeit ihres Lebens durch ein leichtes Hinken erinnert wird. Schreiben und politische Aktivität bringen sie nach Hoyerswerda, eine Stadt, deren Aufbau sie miterlebt und später im Roman verarbeiten wird. Politisch wach und aufmerksam, immer auch zornig, begleiten sie stets auch Zweifel, was sich zum Ende der 1960er Jahre verstärkt. Sie zieht nach Neubrandenburg, wo sie 1973 an Krebs stirbt. Bis zuletzt schreibt sie an ihrem einzigen Roman.

Eine eigenwillige Autorin, die auf der Suche war nach dem präzisen Ausdruck für ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen. Angenehm ist an der Bildbiografie, dass sie die Person Brigitte Reimanns in den Vordergrund stellt, zu der zwar auch das Werk gehört, das aber dezent behandelt wird, ebenso wie die vier Ehemänner. Ein wirklich schöner Band, kenntnisreich und ästhetisch ansprechend.

Kein Bild

Heide Hampel / Margrit Bircken (Hg.): Brigitte Reimann. Eine Biographie in Bildern.
Aufbau Verlag, Berlin 2004.
224 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3351025823

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch