Ironie, Witz und Polemik

Das Handbuch der Bildung von Dietrich Schwanitz

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Mann fällt es anscheinend immer noch schwer, seine blindwütigen Ressentiments gegenüber Feminismus, Psychoanalyse oder den demokratischen Entscheidungsprozeduren an Universitäten zu zügeln. Das war schon beim Schreiben seines Campus-Romans so. Da versagten allerdings obendrein die sprachlichen und ästhetischen Qualitätskontrollen des Literaturwissenschaftlers.

Doch der Mann kann was. Das beweist sein weithin gelungenes Buch "Bildung". Es trägt den reichlich vollmundigen Untertitel "Alles, was man wissen muss". Ist das ironisch gemeint? Ironie und Witz sind dem Autor jedenfalls nicht fremd. Wie hier auf 500 Seiten der abendländische Bildungskanon respektlos, spielerisch, intelligent, anschaulich und lebendig entstaubt und aufgefrischt wird, ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Das "Bildungswissen" werde "aus den Formelpanzern herausgeschält und einer sprachlichen Massage unterworfen, mit dem Ziel, daß jeder es verstehen kann, der das will." Das ist nicht zu viel versprochen.

Der Autor einer "Englischen Kulturgeschichte" (1996) hat seinen kulturhistorischen Horizont ins Globale oder zumindest Gesamteuropäische ausgeweitet. Systemtheoretiker haben die Neigung, aufs Ganze zu sehen. Schwanitz, der relativ früh die Nähe der Literaturwissenschaft zur Systemtheorie suchte, ist dafür ein gutes Beispiel. Nach einem großen Überblick über die europäische Geschichte sind der Literatur, Kunst, Musik und Philosophie noch einmal eigene Kapitel gewidmet. Doch Vorsicht! Beweist Schwanitz eben noch, in seinen Ausführungen zu Foucault, zu Derrida oder auch zu Freud, seine Begabung, komplizierte Sachverhalte klar, knapp und sachlich darzustellen, so kann sein Stil von einem Satz zum anderen in puren Sarkasmus umkippen. Da steht dann über die feministische "Symbolpolitik" in abrupt verändertem Ton gehässiger Polemik: "Dabei zwingen sie die Gesellschaft, sich nach einer neuen feministischen Etikette zu richten. Vor allem werden häßliche, diskriminierende Ausdrücke durch eine Art semantisches Lourdes geheilt und in schöne Ausdrücke verwandelt; man sagt nicht mehr 'klein', sondern 'vertikal herausgefordert', nicht mehr 'doof', sondern 'andersbegabt'. Außerdem wird Gleichberechtigung der Geschlechter hergestellt: neben den Killer tritt die Killerin."

Dem Mann muss Böses widerfahren sein. Sonst würde er verbale Exerzitien politischer Korrektheit nicht derart dramatisieren. Er vergleicht sie mit "Ketzerprozessen" und sieht deren Ziel darin, "die Altäre der politischen Korrektheit mit dem Blut der Schlachtopfer rotzufärben."

Doch der Mann ist lernfähig. Man traut seinen Augen kaum: Ausgerechnet dieser Autor lässt solchen Ausfällen ein durchaus instruktives Kapitel "Zur Geschichte der Geschlechterdebatte" folgen. Es endet mit dem Abschnitt "Der Feminismus". Das kann kaum gut gehen. Doch beschränkt sich die Aversion des Autors hier im Hinweis auf "humoristische Nebeneffekte" feministischer Sprachpolitik. Es sei "jedoch unbestreitbar", konzediert Schwanitz am Ende, "daß der verstärkte Einfluß von Frauen auf die Kultur das zivilisatorische Niveau einer Gesellschaft jedesmal erheblich erhöht hat."

Dass Bildung sich im Stil der Kommunikation zu bewähren habe, resümiert der zweite Teil dieses Bildungshandbuches, der sich, jetzt weniger historisch, sondern eher systematisch, mit den Medien und Institutionen der Bildungsvermittlung befasst: mit der Sprache, mit dem Buch, auch mit dem Feuilleton und nicht zuletzt mit verschiedenen Arten der Intelligenz. Dass Bildungswissen nicht vor Torheiten schützt, illustriert der Fall Schwanitz ebenso wie das schöne Phänomen der Entwicklungsfähigkeit.

Titelbild

Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles, was man wissen muß.
Eichborn Verlag, Frankfurt 1999.
540 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3821808187

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