Altersweisheit als ein Ziel

Botho Strauß feiert seinen 60. Geburtstag

Von Oliver van EssenbergRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver van Essenberg

Der Name "Boto" ist bereits im Althochdeutschen belegt. Dem Schriftsteller Botho Strauß, der am zweiten Dezember seinen 60. Geburtstag feiert, dürfte das nicht egal sein. Botschaften zu überbringen, gehört zu seinem Beruf, sie öffentlichkeitswirksam zu platzieren zu seinen vielleicht herausragendsten Fähigkeiten.

Illustre Auftritte, ähnlich der Selbstdarstellung von Pop-Literaten, sind ihm zuwider. Der Schriftsteller pflegt die Einsamkeit, lebt zurückgezogen in der Uckermark am Rand von Berlin und ist bei kulturellen Ereignissen so gut wie nie anzutreffen. Umso erstaunlicher ist die öffentliche Wirkung, die er durch Prosabände, Essays und Stücke erzielen konnte. Die Theaterstücke, allen voran "Groß und klein" (1978) und "Die Zeit und das Zimmer" (1989), begründeten seinen Ruf als einen der meistdiskutierten Gegenwartsautoren. Mit Strauß wurde in den Augen vieler Kritiker ein neuer Tschechow geboren. Strauß entwickelte die Bühnenwerke weniger aus einer dramatischen Handlung heraus, sondern vielmehr aus Seelenzuständen und Stimmungen der Figuren, die ein teils ironisch gebrochenes, teils unheilvolles Panorama der Gesellschaft zeichnen.

Was in den Stücken, vorbildhaft in Inszenierungen von Peter Stein, mit großem Erfolg gelang, ging in Strauß' Prosatexten und Essays weitaus weniger reibungslos über die Bühne. Der Prosaband "Paare, Passanten" (1981) markiert für viele Kritiker den Beginn seines Scheiterns. Zumindest sind die Reaktionen auf sein Werk inzwischen recht zweigeteilt. Für manche hat sich Strauß vom feinsinnigen Ästheten zum grobschlächtigen Kulturkritiker entwickelt, für andere ist er der am besten funktionierende Intellektuelle der Bundesrepublik geblieben.

Der berühmt-berüchtigte Essay "Anschwellender Bocksgesang" (1993) unterstrich eindrücklich, dass sich der Autor auf die gezielte Provokation versteht. Ganz unverhohlen teilte Strauß darin seine Abneigung gegen alles mit, was irgendwie nach Linksliberalität roch. Die "dumpfe Masse" stand einmal mehr unter Totalitarismus-Verdacht, diesmal jedoch unter umgekehrten, nämlich konservativen Vorzeichen.

Obwohl Strauß seine Funktion als kritischer Beobachter der Studentenbewegung manchmal gerne ad acta legen würde, lassen sich viele Denkfiguren seiner Werke bis heute auf diese Rolle zurückführen. Zu einem großen Teil sind seine Texte daher ziemlich vorhersagbar geworden. In vielen Feuilletons genießen sie trotzdem oder gerade deshalb außerordentlich große Aufmerksamkeit. Seine Hoffnung für das Alter formulierte Strauß vor zehn Jahren so: "Daß ein Satz, den angeblich M. Frisch zu seinem Kollegen gesagt hat: 'Werde im Alter nicht weise, sondern bleibe zornig' - als der Gemeinplatz kritischer Bequemlichkeit erkannt wird, der er in Wahrheit ist." Der Autor machte gegenüber der Kritik an seiner Person und seinen Werken zuweilen einen altklugen Eindruck - manchmal aber auch einen altersweisen.