Zu dieser Ausgabe

Moderne Mediengeschichte, die Medienprodukte ebenso wie Medienwirkungen in den Blick nimmt, hat sich seit langem von dem Ruch, bloß Mode zu sein, befreit und ist nach wie vor ein zukunftsträchtiger Wachstums- und Stellenmarkt. Und es trifft auch nicht zu, dass ihre Gegenstandsbereiche oftmals in einer abgeschlossenen Vergangenheit lägen, nur ein Fall für die Geschichtswissenschaften wären und keine Aussage über die Gegenwart zuließen, im Gegenteil: In unserer Konsumgesellschaft, in der "Retro" angesagt ist, aber mit modernsten kommunikationstechnischen Errungenschaften kommuniziert wird, zeigt sich, wie notwendig es ist, für Dinge, die sich bewährt haben, neue Speicherplätze und Verwertungs- und Zugriffsmöglichkeiten zu entwickeln. Ein Millionenheer arbeitet daher daran, sein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen - via Internet und abrufbar von jedem Punkt der Erde.

Wir Kultur- und Geisteswissenschaftler hinken da noch hinterher, wenn wir die "Vermögenswerte" unserer Zeit in aufwändigen Editionen dokumentieren oder in gelehrten Abhandlungen erschließen und verfügbar zu machen suchen. Doch achtbar und verständlich ist es, dass wir nach wie vor dem Buch den Primat vor jedem anderen Medium geben und beispielsweise den Briefwechsel Carl Zuckmayers mit Gottfried Bermann Fischer zuerst gedruckt vorlegen - ist nicht das Buch seit alters das beständigste Speichermedium gewesen?

Der aktuelle Schwerpunkt von literaturkritik.de, von Michael Grisko angeregt und verantwortet, widmet sich dem Literaturbetrieb und den Medien, den Verlagen und Dichterhäusern, der digitalen Poesie im Netz und verschiedenen Aspekten der Medientheorie und Medienpraxis. Verlagsgeschichten gehören hier selbstverständlich dazu, spiegeln sie doch die Zeitläufte wider, ob man nun die Geschichte des Eugen Diederichs Verlages in den Blick nimmt oder die des Suhrkamp Verlages vorm. S. Fischer. Beide Häuser verstanden sich als "Kulturverlage" und hatten von daher den Zumutungen des Ungeistes, der seit den 30er Jahren in Deutschland wütete, zu widerstehen; doch beide mussten auch erkennen, dass es ihnen ohne Konzessionen an den Zeitgeist unmöglich war, ihren Autoren das Auskommen zu sichern. Der eine Verlag passte sich mehr an, der andere weniger, doch geistige Unabhängigkeit im emphatischen Sinne schien erst nach 1945 möglich zu werden, und auch sie musste erkämpft werden, wie die vierzigjährige Geschichte des Klaus Wagenbach Verlages belegt. Eine Liebeserklärung an den Verlagsgründer, der das aktive Geschäft mittlerweile in jüngere Hände gelegt hat, darf daher nicht fehlen.

Auch die Redaktionsleitung von literaturkritik.de wurde mittlerweile in jüngere Hände gelegt. Nach sechs Jahren und circa 6.000 redigierten Rezensionen hat der Unterzeichnende den Stab an Kathrin Fehlberg weitergereicht, um eine Professur in Rostock anzutreten. Den zahlreichen Mitarbeitern sei daher erneut für ihre Beiträge herzlich gedankt - ohne sie wäre der Aufbau und Ausbau unseres Rezensionsforums in diesem Umfang und auf diesem Niveau nicht möglich gewesen.

Lutz Hagestedt