Auf dem Weg zum Schwimmerbecken

Die Neuübersetzung von Stephen Vizinczeys Roman "Wie ich lernte, die Frauen zu lieben"

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In "Wie ich lernte, die Frauen zu lieben" erzählt András Vajda seine Lebens- bzw. Liebesgeschichte zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den frühen 60er Jahren, zwischen Ungarn, Italien und Kanada, zwischen Diktatur, Kommunismus und Demokratie. Die Geschichte beginnt Ende der dreißiger Jahre in Ungarn, mit einem Jungen, der, vielleicht drei oder vier Jahre alt, der Augapfel seiner Familie ist. Da stehen die Verwandten auch schon einmal Schlange, um dem Kleinen den Hintern zu küssen, bevor er ins Bett geht. Und die Freundinnen der Mutter lassen es geschehen, dass András nach ihren Brüsten grabscht, wenn er sie zur Begrüßung küsst oder umarmt.

Die Geschichte endet mit Ann MacDonald. Der kleine Junge, mittlerweile ein Mann geworden, versucht, nachdem er bereits einmal abgeblitzt ist, erneut sein Glück bei ihr. Es ist 1962, sie sind in Toronto - und diesmal stehen seine Chancen gut: Die Dame ist bereit, auf sein Werben einzugehen. Doch András versagt, was Ann allerdings geduldig hinnimmt: "Auf einen Orgasmus mehr oder weniger kommt es schließlich nicht an, oder?", fragt sie. Den Ich-Erzähler des (autobiografisch gefärbten) Romans allerdings nimmt dieses Ende sehr mit: "Die demütigende Wahrheit dieses Augenblicks kündigte für mich, glaube ich, das verspätete Ende meiner Jugend an."

Zwischen diesen beiden Episoden singt Vajda ein Loblied auf erfahrene Frauen und die Erfahrungen mit den Frauen, die, "wie ich glaube, einen Mann aus mir gemacht haben", denn: "Mit jemandem ins Bett gehen zu wollen, der so unerfahren ist wie man selbst, erscheint mir ungefähr so vernünftig, wie als Nichtschwimmer mit einem Menschen, der auch nicht schwimmen kann, in tiefes Wasser zu gehen. Selbst wenn man nicht ertrinkt, kriegt man einen Schock fürs Leben."

"In Praise of Older Women", so der Titel des Originals, erschien 1965 im Selbstverlag in Toronto. Es wurde ein Welterfolg und in viele Sprachen übersetzt. Auch auf Deutsch ist es bereits 1967 als "Frauen zum Pflücken" und 1980 als "Lob der erfahrenen Frauen" publiziert worden, ohne jedoch zum Bestseller zu werden. Was schade ist. Selten hat jemand seine Lehrzeit der Liebe mit so viel Leichtigkeit und Charme geschildert, auch wenn die Beschreibungen der Frauen ab und an sprachlich etwas hilflos wirken. Vizinczey gelingt es, in wenigen Worten Bilder zu entwerfen, knappe und wirklichkeitsnahe Dialoge zu verfassen und dabei die Faszination, die die Frauen auf Vajda ausüben, glaubhaft und nachvollziehbar zu machen, vielleicht gerade weil sich ihm in den Momenten der Lust die Sprache gelegentlich verweigert. Fast möchte man sich selbst in Klári und Ilona, Zsuzsa, Paola und die anderen verlieben.

In Kapiteln wie "Über junge Mädchen" oder "Über Jungfrauen" berichtet Vajda in der Rückschau von seinen erotischen Erfahrungen, geht dabei allerdings nicht chronologisch vor, sondern verknüpft die einzelnen Episoden assoziativ miteinander und bettet sie beiläufig, aber umso geschickter in die historischen Gegebenheiten ein, berichtet wie nebenbei über seine Zeit in der Militärschule, seine Flucht vor den Russen oder die Emigration nach Italien. Voller Nostalgie lässt er die Zeit vor dem Krieg wiederauferstehen, nach der er sich spürbar zurücksehnt, eine Zeit, in der die "Affäre eines jungen Mannes mit einer älteren Geliebten den Glanz der Vollkommenheit" hatte, einer Zeit der integrativen Gesellschaft, in der man lernte, mit den Menschen auszukommen. Der besondere Kunstgriff liegt dabei wohl in der Tatsache, dass die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten mit der Sehnsucht nach der besonderen Frau verknüpft wird, die auch die Zeit besonders machte.

Selbst allerdings scheint der Erzähler seine "Enthüllungen" für nicht sonderlich interessant zu halten. Mit einer gewissen Ironie bemerkt András, dass seine Erinnerungen dem Leser vielleicht wenig zu bieten hätten, "aber für den Autor hat sich die Mühe gelohnt: Es fällt mir immer schwerer, mich selbst ernst zu nehmen."

Titelbild

Stephen Vizinczey: Wie ich lernte, die Frauen zu lieben. Die amourösen Erinnerungen des András Vajda.
Übersetzt aus dem Englischen von Carina von Enzenberg.
Schirmer/Mosel Verlag, München 2004.
304 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-10: 3865550088

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