Ein Platz im Olymp

Eine neue Auflage des Metzler Autoren Lexikon

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was soll man über ein Lexikon mit deutschsprachigen Autoren schreiben? Wer drin ist und wer nicht? Eine Diskussion über den literarischen Kanon beginnen? Wer gelesen werden soll und kann, und wer in einem "kanonischen" Lexikon seinen Platz findet? Auf den ersten Blick wohl kaum, kann dies, sofern es überhaupt sinnvoll erscheint, doch an anderer Stelle ausgetragen werden. Was bleibt übrig? Die Standards können bewertet werden: Das Lexikon hat die übliche äußere Form der Nachschlagewerke des Metzler Verlages, Schriftbild und Anordnung der Beiträge - alphabetisch, wie auch sonst -, Aktualität der Artikel und Literaturangaben entsprechen dem Redaktionsstand 2004, ein Artikelregister schließt den Band ab und erlaubt eine schnelle Durchsicht der vertretenen Autoren.

Aber die Konzeption und Ausstattung des Nachschlagewerks haben sich verändert. Auf Abbildungen wurde verzichtet, der Satz ist übersichtlicher geworden und zweispaltig angeordnet, und die Anzahl der aufgenommenen Autoren stieg um über einhundert Probanden auf 550 Autoren. Dabei sind die fehlenden Abbildungen nicht gerade ein Gewinn für die Lesefreundlichkeit des Bandes, zumal der Anspruch und das dem Lexikon zugrunde liegende Konzept von einem hohen Vermittlungsanspruch ausgehen: "Das Konzept einer erzählenden Vergegenwärtigung von scheinbar Zurückliegendem, literaturgeschichtlich 'Weggesargtem' oder bloß 'Historischem' hätte unter dem Diktat der Vollständigkeit nur verlieren können und zu einem vielbändigen Lexikonmonstrum geführt, das alles und nichts zeigt." Neben diesen Kriterien für die Darstellung von Literaturgeschichte hat sich mit der Aufnahme von neuen Autoren in den Kanon des Nachschlagewerkes auch der Schwerpunkt der Betrachtungszeiträume verschoben. Die Auswahl hat sich verändert: "Sie verzeichnet wenige Ergänzungen im Bereich zurückliegender Literaturepochen und legt den deutlichen Schwerpunkt auf die Gegenwartsliteratur." Aber trotzdem gerät den Autoren der einzelnen Beiträge nicht der pädagogische Impetus aus dem Auge, die Literaturgeschichte immer mit Gegenwart und Gegenwartsbedeutung der Autoren zu verbinden.

So findet man etwa in dem Artikel über Schiller dann auch den 'ganzen' Schiller pointiert zusammengefasst in einem Stammbuchblatteintrag: "Alles unser Wissen ist ein Darlehn der Welt". Hier trifft genau das zu, was unter der Verbindung von Aktualität und Gegenwartsbedeutung eines Autors zu verstehen ist. Allerdings findet man an anderer Stelle auch Formulierungen, die man sich etwas unpathetischer gewünscht hätte: "Dreiundzwanzig Jahre nach Amérys Freitod ist mit S.[ebald] nun aber auch eine der wichtigsten Stimmen des Gedächtnisses aus dem Kreis der Nachgeborenen endgültig verstummt." Sind an manchen Stellen überflüssige Anmerkungen zu finden und zielen Formulierungen auch nicht immer auf den unterhaltsamen Aspekt des Lese-Lexikons, ist der Leser an anderen Stellen wiederum überrascht und findet Autoren, die er so an dieser Stelle nicht vermutet hat, da sie oft anderen Auswahl- oder Zuordnungskriterien zum Opfer fallen, dabei aber zweifellos zum Kreis der interessanten Autoren gehören, wie etwa A. W. Schlegel, der sonst eher in den philosophischen Lexika zu finden ist.

In Auswahl und Texten liegt hiermit ein den Vorgängerauflagen ebenbürtiges, an Aktualität und Bezug auf Gegenwartsliteratur überlegenes Nachschlagewerk vor. Es wird wie seine Vorgänger einen Platz im universitären und hoffentlich auch schulischen Alltag finden, ist es doch auch zum erweiterten und stöbernden Lesen geeignet. Schade nur, dass die Illustrationen weggefallen sind. Und trotzdem: DAS Standardwerk über deutschsprachige Autoren.

Titelbild

Bernd Lutz / Benedikt Jeßing (Hg.): Metzler Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2004.
848 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-10: 3476020134

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