Süskinds Geschwisterpaar

Linda Stifts Debütroman "Kingpeng"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Linda Stift, 35-jährige Kulturjournalistin aus Wien, hat sich mit ihrem Roman-Erstling eine Menge zugemutet. Sie hat ein exponiertes Anti-Heile-Welt-Buch geschrieben, das dem Leser inhaltlich und formal einiges abverlangt.

Im Mittelpunkt steht ein sonderbares Geschwisterpaar von Mitte zwanzig, das einen Partyservice betreibt. Nick kümmert sich rührend um seine Schwester Kinga, seit sie ihren Freund bei einem mysteriösen Autounfall verloren hat. Anfälle von partieller Amnesie suchen die weibliche Protagonistin in losen Intervallen heim, hinter ihrem Ohr ("Ich nenne es das Horn") wächst ein Überbein, das mit seinen Schmerzen - wie ein emotionaler Seismograf - die seelischen und körperlichen Abstürze ankündigt.

Dieses skurrile Paar - ein inzestuöses Verhältnis wird nur latent angedeutet - lebt in einer schäbigen Wiener Mietwohnung und beobachtet zunächst neidvoll die gegenüberliegende "Terrakotta-Insel" der Upper Tens. Irgendwann werden sie von den Nachbarn eingeladen und mischen selbst mit in dem schrägen Treiben, das sie zuvor mit Argwohn aus der Distanz beobachtet hatten. Kinga, die stets die Unterhosen ihres Bruders trägt, verliebt sich in den smarten Butler Pavel, Nick denkt pragmatisch und macht sich an die Hausherrin ran. Er hofft, über sie neue Kunden für den nur mäßig florierenden Partyservice zu gewinnen. Kein Wunder, dass das Geschäft schlecht läuft, denn Kingas Kochkünste sind bescheiden, Nudeln und eine Sauce sind Standard. Die Sauce allerdings liefert den großen Gag, sie befindet sich in einer fehlproduzierten Tube, die sich nur in voller Länge öffnen lässt.

Nichts für Gourmets - so wie der gesamte Roman, in dem einiges an Ekligkeiten zu ertragen ist. In der Küche tummelt sich das Ungeziefer, überall stinkt es (die Hitze eines Jahrhundertsommers treibt den Geruchswahnsinn auf die Spitze), zumeist nach Körperausscheidungen, die Kinga wie eine Chemielaborantin mit ihrer feinen Nase analysiert. Der Ausflug des Paares in die "besseren Kreise" wird allerdings ziemlich abrupt beendet, nachdem Butler Pavel tot auf der Terrasse aufgefunden wird. Am Ende trennen sich gar die Wege von Kinga und Nick, der seiner Schwester eine Reise ins chinesische Kingpeng vorgeschlagen hatte, und als Leser wüsste man gerne, wie es mit diesen beiden Paradiesvögeln weitergeht.

Linda Stift hat ihrem ersten Roman nicht nur ein großes Erzähltempo mit auf den Weg gegeben. Durch die eingeflochtenen Thrillermomente hetzt man förmlich dem offenen Ende entgegen. Zurück bleiben die Todesfälle, eine präzise beschriebene Vielfalt der Gerüche, ein schräges Figurenensemble und eine kaum zu unterdrückende Erinnerung an Patrick Süskinds Weltbestseller "Das Parfüm".

Titelbild

Linda Stift: Kingpeng. Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005.
156 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3552060081

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