Tango tanzend durch Berlin und Buenos Aires

Katrin Dorns Milonga: Sehnsucht und Liebe, Abstand und Nähe

Von Heike HendersonRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Henderson

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Milonga, das ist die schnellste Form des Tango Argentino. Es ist die Bezeichnung für allabendlich stattfindende Tangobälle. Und es ist der Titel eines neuen Romans, der zum Tango tanzen und Reisen animiert.

Katrin Dorn erzählt die Geschichte Klaras, einer jungen Deutschen, die nach dem Ende einer Beziehung kurz entschlossen nach Argentinien fliegt, um dort Tango zu tanzen und ihren Schmerz zu vergessen. In Argentinien findet sie nicht nur ihre große Liebe, sondern sie lernt auch viel über kulturelle Unterschiede, komplizierte menschliche Beziehungen, und die Geschichte deutscher Emigranten in Argentinien, die seit Langem in der Fremde leben und doch immer noch die Heimat vermissen. Ganz nebenbei erfahren wir so einiges über die Geschichte Argentiniens, eines Landes voller Lebenslust und politischer Unruhen.

Parallel zu Klaras Erlebnissen in Buenos Aires entfaltet sich ein zweiter Handlungsstrang: der des Einzelgängers Bruno, der in Berlin heimlich ihre Emails liest und durch sie den Tango entdeckt. Und so ist Milonga nicht nur eine Geschichte über Argentinien, sondern auch eine Geschichte über Deutschland. Dorn beschreibt ein Land, das in vieler Hinsicht immer noch geteilt ist in Ost und West, und in dem die Kluft zwischen arm und reich auch immer weiter wird. Sie beschreibt die konkreten Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Jobs ohne Zukunftsperspektiven, und sie beschreibt die Suche von jungen Menschen nach ihrem Platz in der Welt. Während die Alten in Deutschland wie auch in Argentinien durch ihre Erlebnisse geprägt sind und sich nur zögerlich Neuem öffnen, leiden viele der Jungen unter einem Mangel von Möglichkeiten eigene Erfahrungen zu sammeln.

Im Mittelpunkt dieses Buchs stehen der Tango, neue Begegnungen und menschliche Beziehungen. Es geht um die komplizierten Beziehungen zwischen Deutschen und ihrer Heimat, zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, und zwischen Mann und Frau. Und es geht um Klaras Versuch, eine Verbindung zu sich selbst herzustellen. Die einzige Ungereimtheit ist die vielleicht doch etwas sehr an den Haaren herbei gezogene Verbindung zwischen Klara und Bruno. Vor allem erstaunt es, dass Klara so gar nicht wütend ist und Bruno scheinbar ohne Umstände das Lesen ihrer Emails verzeiht. Dies wird jedoch mehr als wettgemacht durch Dorns packenden und unaufgeregten Erzählstil. Dorn gelingt es, den Tango in Worte zu fassen und ohne pädagogische Untertöne eine Geschichte der kulturellen Unterschiede, des Zusammenkommens und sich fremd Bleibens zu erzählen. Geschickt benutzt Dorn den Tanz als Metapher fürs Leben im Allgemeinen und die Liebe im Besonderen. Der Tango vereinigt Leichtigkeit und Leidenschaft. Er spielt mit Abstand und Nähe, Weglaufen und Wiederkommen. Und er kultiviert Sehnsucht. Wie der Tango, so ist letztendlich auch die Liebe der Wunsch gemeinsam durchs Leben zu gehen und zu zweit EINEN Tanz zu tanzen. Und genau davon handelt dieser Roman. Dorn erzählt eine wunderschöne Liebesgeschichte, voller Zärtlichkeit, Sehnsucht, Leidenschaft und Schmerz. Selten hat ein Buch so viel Lust auf mehr gemacht, Lust aufs Tanzen und Reisen, Lust auf Liebe und Leidenschaft, und Lust aufs Weiterlesen.

Titelbild

Katrin Dorn: Milonga. Roman.
dtv Verlag, München 2004.
256 Seiten, 14,50 EUR.
ISBN-10: 3423244380

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