Die fatale Verführungskraft von Isolde, Penthesilea und Catwoman

Elisabeth Bronfens Analyse zu Liebestod und Femmes fatales

Von Stefanie HartmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Hartmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ausgehend von Stephen Greenblatts These von der sozialen "energia", die im künstlerischen Werk enthalten sind und so im Laufe ihrer historischen Umschriften immer wieder ein neues Publikum ansprechen, entwickelt die Literaturwissenschaftlerin und Psychonanalytikern Elisabeth Bronfen ihr Konzept des cross-mapping und cross-dressing. Während es beim cross-mapping um die Analyse im Genre-Vergleich geht (Oper, Literatur, Film), geht es beim cross-dressing um das Erscheinen einer Denkfigur im neuen Gewand. Am vorliegenden Beispiel heißt dies: Bronfen vergleicht Wagners Oper "Tristan" mit dem "film noir" und Isolde mit der "femme fatale" im "film noir". In beiden Fällen handelt es sich zumeist nicht um eine belegte Rezeption des Wagner'schen Werkes, sondern um das Suchen "erfinderischer Korrespondenzen", wie Bronfen in Anlehnung an Barbara Maria Stafford darlegt, ohne näher zu bestimmen, wie sie bei einem solchen Verfahren der Gefahr der Beliebigkeit entgehen will.

Eine große Parallele zwischen Wagners Oper und dem "film noir" besteht in der Vorliebe der nächtlichen Szenerie, assoziierbar mit der nachtgeweihten Liebe der Protagonisten. Bronfen bezieht sich auf Definitionen des "film noir", die dessen Ausprägung des "femme fatale" auf Nachkriegserfahrungen zurückführen, in denen das Geschlechterverhältnis in einer Krise steckt. Die aus dem Krieg zurückkehrenden Männer waren traumatisiert und fühlten sich durch die Frauen, die sich in ihrer Abwesenheit emanzipiert hatten, bedroht. Diese "Krise der Paternalität", ist nicht nur bestimmend für das Bild der gefährlichen "femme fatale" in den 40er Jahren, sondern zugleich bereits ein wichtiges Motiv bei Wagner: In König Marke werde der fehlbare Vater vorgestellt, der sich bei der Brautwerbung um Isolde durch einen "Sohn" vertreten lasse, der selbst wiederum fehle und gegen die "symbolische Ordnung" des Vaters verstößt. In ihrer stark psychoanalytisch gefärbten Interpretation dieser Verbindungen zwischen Film und Oper verwendet Bronfen vor allem Begriffe der Lacan'schen Psychologie. In der "femme fatale" laufen zwei Aspekte zusammen, die bei Wagner zwei verschiedenen Figuren zugeordnet werden: Rachsucht und Zerstörungslust auf der Seite Isoldes und Verführung durch Brangäne, die durch einen Liebestrank Isoldes Rachegefühle in Begehren umwandelt.

An den Filmen "Out of Past" (Jacques Tourneur), "Criss Cross" (Robert Siodmak) und insbesondere an "Double Indemnity" (Billy Wilder) zeigt Bronfen Helden, die durch ihre Verstrickung mit der "femme fatale" zur Übertretung des Gesetzes verführt werden. Dabei geht es weniger als bei Wagner um den Bruch eines Ehrenvertrages zwischen Männern und die beidseitige, zerstörerische Liebe, als um den egoistischen Lebenswillen der Verführerin.

Im "neo noir" der in den 80er Jahren den "film noir" neu belebt, resultiert die Krise der Männlickeit nicht mehr aus der Kriegserfahrung. Der Mann ist trotz seiner Versehrtheit selbst nicht nur Opfer. Der Untergang beider Helden ist nicht zwingend Teil der Handlung. Dies arbeitet Bronfen insbesondere an Chris Nolans Film "Memento" heraus, verweist aber auch auf "Basic Instinct" oder "Body of Evidence".

In einem zweiten Beitrag stellt Bronfen Analogien zwischen Kleists "Penthesilea" und anderen Werken her. In Folge von Kampfeshandlungen tötet und zerfleischt Penthesilea den Gegner Achilles, dem sie in Hassliebe verbunden ist und der sich, gleichermaßen von ihr angezogen, willig besiegen lässt. Neben Bezügen zu Wagner - neben Liebestod und femme-fatal-Motiv gibt es auch hier die Vertraute Prothoe, die vergeblich versucht, das Schicksal zu wenden - stellt Bronfen auch Bezüge zu Shakespeares "Mittsommernachstraum" und "Romeo und Julia" her. Besonders kühn, wie die Autorin selbst anmerkt, ist der Vergleich mit Tim Burtons Film "Batman returns". Burtons "Catwoman" ist in Auseinandersetzungen mit Batman verwickelt, die zugleich von gegenseitiger Anziehung beeinflusst ist; nach Bronfen eine sichtbare Analogie zu dem Konflikt zwischen Penthesilea und Achill.

Abschließend beschäftigt sich Bronfen mit der ambivalenten Wirkung des cross-dressing. Zum einen birgt die Wandlung der Denkfiguren eine häufig betonte Subversivität, doch betont die Autorin auch (gerade im Hinblick auf die von ihr beschriebenen Frauengestalten): "Zudem muss man sich fragen, ob cross-dressing immer und ausschließlich subversiv zu bewerten ist oder ob nicht in bestimmten kulturellen Domänen [...] dieses Spiel mit Geschlechtszuweisungen gerade deshalb gefeiert werden darf, damit auf anderen öffentlichen Bühnen - beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt oder an Orten politischer Debatten - an fest geschriebenen Geschlechterrollen festgehalten werden darf."

Elisabeth Bronfen, die bereits in ihrem bekanntesten Werk "Nur über ihre Leiche", das Fasziniernde und Erotisiernde weiblicher Leichen in den verschiedenen Kunstgattungen analysierte, führt mit "Liebestod und Femme fatale" ihre Überlegungen zum (Liebes-)Tod in eine neue Richtung und legt den Grundstock für ihre darauffolgende Arbeit "Home in Hollywood", die sich noch stärker als die vorangegangenen Werke mit Film beschäftigt.

Wie auch in den anderen Werken, liefert sie hier viele kluge Gedanken, die die Sicht auf einzelne Werke und Genres erhellen, ohne letzte Erklärungen geben zu wollen. Dabei sind ihre Ausführungen manchmal mehr, manchmal weniger schlüssig nachzuvollziehen, oft auch durch die Lacan'sche Terminologie nicht immer einfach zu verstehen, immer aber eine Bereicherung bei der Betrachtung des Sujets. Insbesondere ihre Offenheit gegenüber populären Genres in Verbindung mit neuartigen Fragestellungen machen ihre Arbeiten überaus lesenswert.

Titelbild

Elisabeth Bronfen: Liebestod und Femme fatale. Der Austausch sozialer Energien zwischen Oper, Literatur und Film.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
198 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3518122290

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch