"Aus verschiedenen Gründen geschlossen"

Das Neueste vom Tarzan am Prenzlauer Berg, analytische Momentaufnahmen der ewigen und schönsten DDR der Welt sowie etliche andere Hinterzimmergeschichten

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Eine deutsche Karriere" lautet der Untertitel des neuesten Buches von Adolf Endler und man spitzt die Ohren. 1930 in Düsseldorf geboren hatte der junge Adolf Endler die Seiten seines geteilten deutschen Landes gewechselt und lebt seit 1955 in Ostberlin. In der Bundesrepublik hatte er sich wegen seiner linken politischen Haltung zuviele Probleme eingehandelt. In der DDR, und das merkte er bald, sollte es ihm nicht viel besser ergehen.

Zwar hatte er noch 1966 mit Karl Mickel die Anthologie "In diesem besseren Land" herausgegeben, doch waren in dieser Lyriksammlung die politischen Probleme bereits eingenäht. Fortan bestritt Endler nicht als politischer Dissident, aber als unangepasster Dichter recht und schlecht seine schriftstellerische Existenz in Ostberlin. Einer der sozusagen messbaren Daten in diesem Gewirr bildet sein Ausschluss aus dem DDR-Schriftstellerverband im Jahr 1979. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 sowie ein bislang nie dagewesener Protest von DDR-Künstlern hatte diesen Ausschluss eingeleitet. Endlers Möglichkeiten in der DDR zu publizieren wurden, wie er im vorliegenden Buch schildert, zusätzlich begrenzt. Immerhin war 1981 noch eine Sammlung seiner Gedichte aus 25 Jahren unter dem bezeichnenden Titel "Akte Endler" als Reclam-Taschenbuch für "DDR 1,25 M" erschienen.

Die "deutsche Karriere" erfolgte somit im Zickzackkurs und an diesem Schema orientiert sich der vorliegende Band. Kein diachronaler Ablauf biografischer Zeitläufte strapaziert die Leser, es wird vielmehr ein Feuerwerk an Anekdoten, Berichten, Verfehlungen, Halbwahrheiten, Tagesbeobachtungen und Tagebuchnotizen abgeschossen. Legendär ist seine Sammlung von Überschriften und Hinweis- und Verbotsschildern. Das Fragment wird bei Endler inszeniert und es interpretiert zuletzt die Wirklichkeit in weit authentischerer Weise, als jede großflächige Beschreibung. In diesem Zusammenhang wäre es übrigens ein großes Missverständnis, täte man Endler und seinen unverwechselbaren Schreibstil als Kapriolen eines Clownkaspars ab. Adolf Endler ist ein kritischer Zeitgenosse, der die Folie der so genannten Wirklichkeit bestens durchschaut. In Fragen "Ost-West" und "Deutsch-Deutsch" bietet er somit unverwechselbar originäre Perspektiven. Sein Einwand "Verlustanzeige" beginnt mit einem Zitat von Erich Honecker: "Wir sind für den Frieden auf der Erde und im Kosmos" - typisch Endler, möchte man sagen. Sodann zitiert Endler den "Fahneneid der Nationalen Volksarmee" in seinem ganzen Umfang, um aufzuzeigen, welch ein entsetzlicher moralischer Kahlschlag davon bis heutige ausländerfeindliches Denken in den neuen Bundesländern prägt. Die DDR lässt Adolf Endler letztendlich noch immer nicht los. So erklären sich aufschlussreiche Porträts und Widmungen für Schriftsteller seiner Achtung wie Peter Huchel, Sarah Kirsch oder die zu früh verstorbenen und längst vergessenen Inge Müller und Uwe Gressmann. Und mehrmals betont Endler, dass der sogenannten "Sächsischen Dichterschule" kein Stasi-Spitzel angehörte. Über die Jahre hinweg hatte Endler im wirren Wechsel von Pseudonymen wie Bobbi Bergermann oder Bubi Blazezak über die Widersprüche seiner Umgebung geschrieben. Die Aufzählung der diversen Kneipen verraten Endlers Verortung in seiner Ostberliner Topografie. Atmosphärisch dicht gestaltet sich auch die Beschreibung seiner wiederholten Wohnungsprobleme. Außenklo, Hintertreppen und der Kasernenton im Wohnungsamt fügen sich im Ostberliner Reservat zusammen. Was den Umgangston betrifft, ist Endler feinfühlig. Nicht der verletzte Stolz, sondern eine ungemeine subtile Beobachtungsschärfe lässt Adolf Endler in den verschiedensten Lebenslagen aufhorchen. Er zitiert einen frühen Artikel von Peter Huchel - den späteren hatte Endler sehr geschätzt! - der von den Vorboten der Barbarei handelt, die in die Berliner Stadt eingezogen sind: ",Noch können wir sie zurückschlagen! Wir müssen sie zurückschlagen!' (Der reinste ,Panzerbär'!, um des Himmels willen!)". In typischer Weise vermischen sich hier Zitat mit Endlers ganz persönlichem Einwurf. Dass Endler dieses Durchhalte-Blatt aus der Endkampfphase des Dritten Reichs bekannt ist, verwundert nicht, wenn man im Laufe der Lektüre das umfangreiche Spektrum der Blätter und Zeitschriften alleine der DDR zur Kenntnis nimmt, die Endler offensichtlich, immer auf der Jagd nach griffigen Zitaten, durchgewälzt hat. Es liegt somit ein launiges Buch vor, das wie das Licht von verschiedenen Quellen gespeist erst im Zusammenfall der Strahlenbündel seine volle Leuchtkraft entfaltet. Adolf Endler ist mit seiner "deutschen Karriere" ein klug konzipiertes und unterhaltsames Buch gelungen!

Titelbild

Adolf Endler: Nebbich. Eine deutsche Karriere.
Wallstein Verlag, Göttingen 2005.
290 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 3892448396

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