Windräder der Liebe

"Der Zahir" in Paulo Coelhos Welt

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Südamerikanische Therapie-Literatur scheint mehr denn je Konjunktur zu haben. Der Argentinier Jorge Bucay oder der Brasilianer Paulo Coelho sind zwei prominente Beispiele. Ist der Erste praktizierender Psychiater und Gestalttherapeut, der seine Erfahrungen literarisch "verarbeitet", so ist der Zweite ein selbsternannter "Krieger des Lichts", der sich mit seinen eingängig-leicht lesbaren Romanen immer auf die Liebes- respektive Sinn-Suche begibt. So auch in seinem neuen Roman "Der Zahir". Er erzählt - mit zahlreichen autobiografisch grundierten Versatzstücken - die Suche eines erfolgreichen Schriftstellers nach seiner Frau Esther, einer erfolgreichen Kriegsreporterin mit Irak- und Afghanistan-Erfahrung. Esther, die die Antriebsfeder seiner Karriere war, hat ihn nach zehn Jahren Ehe sang- und klanglos verlassen. Als "Zahir", als Obsession letztendlich, beginnt sie, abwesend, sein Leben zu beherrschen. Zwar "verarbeitet" der Protagonist seinen Verlust im Roman "Zerreißen hat seine Zeit, Zunähen hat seine Zeit" zu einem Suchbild seiner Liebe, doch die Abwesende bleibt gegenwärtig. Bei einer Lesung trifft er seinen vermeintlichen Nebenbuhler Mikhail beziehungsweise Oleg, der mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet ist. Es folgen diverse spiritistisch-okkult anmutende Zusammenkünfte mit Mikhail und seiner Gefolgschaft in einem armenischen Restaurant in Paris, Begegnungen in einer "sympathischen Pizzeria", bis es schließlich zum Showdown mit der geliebten Esther in der kasachischen Steppe kommt. Doch zuvor hat er auf dem langen Weg zu sich selbst die Fähigkeit zur Liebe zu lernen, bis er überzeugt ist: "Die Geschichte der Welt wird erst einen anderen Lauf nehmen, wenn wir lernen, die Energie der Liebe zu nutzen, so wie wir heute die Energie des Windes, der Meere, der Atome nutzen".

Bis es aber nach über 330 Seiten soweit ist, gibt es einiges an mystischem Geraune oder Plattitüden wie diese zu ertragen: "Ich glaube, bei jedem läuft beim Lesen innerlich ein Film ab. Als Leser verleiht man den Figuren ein Gesicht, baut Szenarien, hört Stimmern, nimmt Gerüche wahr." Schön wär's! Denn in vielen Passagen wäre der brasilianische Landsmann Ailton, derzeit besser bekannt als "Freibadtoni", präziser: "Ein Schuss, ein Tor, das ist Ailton".

Aber Hauptsache, bei Coelho 'werden Sie geholfen', wie einst in der "Welt" der südamerikanischen Landsmännin oder -frau Verona Feldbusch. Doch schließlich gilt auch für Coelho das Motto des Stavenhageners Fritz Reuter über dessen "Läuschen un Rimels": "Wer't mag, de mag't; und wer't nich mag, dei mag't jo woll nich moegen."


Titelbild

Paulo Coelho: Der Zahir. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2005.
342 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-10: 3257064640

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