Der warme Zauber rinnt durch unsere Adern

In Hartmuth Malornys zweitem Roman wird wieder ordentlich getrunken

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Harald "Harry" Malowsky, zwar Held dieses Romans, sonst jedoch weniger Held als vielmehr Verlierer, Trinker und Gelegenheitsarbeiter, hat mit seinem Idol Johnny Cash nicht viele Gemeinsamkeiten. Eine von ihnen ist die Vorliebe für den Alkohol. Und dieser ist es auch, der Malowsky vorwärts treibt, ihm Ruhe gibt, Sicherheit, Geborgenheit, Trost und Zuflucht, wenn die Zeiten mal wieder allzu hart zu werden drohen.

Zwischen den Trinkgelagen, denen sich Malowsky ausführlich widmet, passiert zwar eine Menge, aber es läuft immer nach dem gleichen Prinzip ab: Hier und da ergattert "Harry" mal einen Job, in dem er jeweils auslotet, wie faul er sein kann, bis ihm gekündigt wird. Dann startet irgendwann die Suche nach einem neuen Gelegenheitsjob. Dabei kommt er viel herum, trifft Frauen, die er nicht halten kann oder die ihn nicht halten wollen, verbrüdert sich mit Arbeitskollegen und lernt auf diese Weise so ziemlich jede Kneipe des Ruhrgebiets kennen. Denn Zeit für ein paar Bierchen ist immer, auf die Schnelle oder auch mal ausgiebig und mit Muße.

Nachdem der Autor Hartmuth Malorny mit seinem ersten Roman "Die schwarze Ledertasche" aus seiner Vergangenheit als Straßenbahnfahrer erzählte, geht er nun mit "Noch ein Bier, Harry?" noch ein Stück weiter zurück, berichtet von seiner Perspektive auf das Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre und seinem Aufwachsen darin. Die Geschichte ist entsprechend autobiografisch gefärbt, wie ja auch der Name und die Biografie des Protagonisten nahe legen. Und es ist eine Geschichte aus einem Deutschland, das es so nicht mehr gibt, das aber hier noch einmal sehr lebendig wird.

Die Hauptfigur "Harry" wird, trotz ihrer Macken, zunehmend zum Sympathieträger, man verfolgt ihre Geschichte gerne und mit Neugier. Leider fehlt dem Roman jedoch ein durchgehender roter Faden, ein Bogen, der sich über die ganze Länge spannt. Stattdessen wirkt "Noch ein Bier, Harry?" wie eine Aneinanderreihung einzelner Anekdoten und Kurzgeschichten, wie man sie aus dem Social-Beat-Umfeld (dem Malorny entstammt) vielfach kennt. So wird etwa auch nicht ersichtlich, warum der Roman dort endet, wo er endet, und warum bestimmte Begebenheiten ausführlich erzählt werden und andere nicht - der gewählte Ausschnitt erscheint etwas willkürlich.

Und so wenig, wie sich die Geschichte fortentwickelt, so wenig verändert sich auch die Perspektive des Protagonisten: Durch all die Jahre, die der Leser Harry Malowsky begleitet, haftet ihm die immergleiche Teilnahmslosigkeit an. Manchmal möchte man Malowsky dazu antreiben, ein wenig Ehrgeiz zu entwickeln, sein Leben in den Griff zu bekommen bzw. mal etwas mehr zu tun als das unbedingt Notwendige.

Doch das zentrale Thema dieses Buches ist nun einmal das Trinken, und dies nicht so sehr von einem Standpunkt aus, der die Sucht kritisiert, als vielmehr von einem, der den Alkohol, gerade in seiner realitätsverzerrenden Wirkung, etwas glorifiziert: "alle Handlungen hatten plötzlich Sinn [...], es war eigentlich kein körperlicher Drang, mein gesamtes soziales Leben spielte sich dort ab, wo es etwas zu trinken gab. Trinken bedeutet Kameradschaft". Gerade in diesen Worten wird die Bedeutung, die der maßlose Alkoholkonsum auf die Figur Malowsky hat, deutlich: eine Flucht, die in einer Welt wie der im Buch beschriebenen schlicht die reizvollere Alternative darstellt.

Titelbild

Hartmuth Malorny: "Noch ein Bier, Harry?". Eine Trinkerchronik.
Neon Verlag, Dortmund 2005.
240 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-10: 3937821023

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch