Korffs Mesalliancen

Phantasiestücke über Philosophen, Frauen und die Liebe

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Philosophen haben so ihre Probleme mit Frauen. Friedrich Wilhelm Korff bedient dieses Klischee weidlich. In seiner nun in dritter, erweiterter Auflage erschienen Essaysammlung "Der Philosoph und die Frau" nimmt er ihre "Messaliancen" aufs Korn - und die Lesenden auf die Schippe.

"Sämtliche Zitate" in seiner Kritik an Ingeborg Bachmanns Roman "Malina" seien "aus ihrem Kontext gerissen" monierte Elke Atzler zu Recht. Diese Klage kann man so ziemlich gegen alle hier versammelten Texte führen.

So stochert er in einigen kantischen Schriften herum und klaubt eine Handvoll beliebiger Zitate zusammen, um sogleich munter drauflos zu fabulieren. Mal in die eine, mal in die entgegengesetzte Richtung. Ob seine Behauptungen mit den Ergebnissen der Forschung, seinen Zitaten oder auch nur untereinander zusammenstimmen, kümmert ihn wenig, solange er nur zu verblüffen oder ein Klischee zu bedienen vermag.

Behauptet er zunächst, man könne sich Kant "gar nicht als Liebhaber vorstellen", trumpft er sogleich auf: "ist er aber gewesen", nur um gerade mal zwei Seiten weiter zu verkünden, dass "es in seinem Leben keine Frauen gegeben" habe. Dessen ungeachtet kommt er alsbald auf zwei - vermeintliche - Amouresken Kants zu sprechen. Wie aber der Königsberger Philosoph beinahe geheiratet hätte, hat vor annähernd 120 Jahren schon August Schricker besser und vor allem amüsanter und kenntnisreicher erfunden.

Um ein wenig Pfeffer in seine lahme Geschichte zu bringen, lässt Korff eine dritte Frau, die verheiratete Maria Charlotta Jacobi, zur "femme scandaleuse" avancieren, die sich in Kant verliebt habe. Als vermeintlichen Beweis zitiert er ihren an Kant gerichteten Brief. Karl Vorländer, der Verfasser der nach wie vor unübertroffenen Biographie Kants, entdeckte in dem Schreiben allerdings nichts, was auf "mehr als gute Freundschaft" hindeuteten würde.

Kurz, Korffs Darstellung von Kants Verhältnis zu Frauen ist ungefähr so zutreffend wie die Behauptung, der Königsberger Philosophendamm habe seinen Namen erhalten, weil Kant täglich auf ihm zu spazieren beliebte.

Nicht besser verhält es sich mit Korffs Darstellung der Geschlechterphilosophie und des Liebeslebens Arthur Schopenhauers. Nun muss man wirklich nicht lange suchen, um bei dem Pessimisten und Weiberfeind ausgemacht misogyne Stellen zu finden. Doch zielsicher greift Korff sogleich daneben und zitiert als ersten Beleg ausgerechnet einen Passus, der besagt, dass nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte Verstand des Mannes Frauen als schön erachten könne. Sicher eine Kritik der weiblichen Anatomie. Aber mehr noch eine des männlichen Verstandes. Und zudem eine Kritik an der Vorstellung der Möglichkeit objektiver, körper- und geschlechtsungebundener Erkenntnis. Mit ihr greift Schopenhauer - außergewöhnlich genug - einer grundlegenden Einsicht feministischer Erkenntniskritik des ausgehenden 20. Jahrhunderts vor.

Ganz en passant dichtet Korff Schopenhauer an, "stets Liebesaffären" gehabt zu haben. Doch nennt er gerade mal drei Namen dieser - angeblichen - "Affären": Caroline Jagemann, Teresa Fuga und Caroline Richter-Medon. Bei Schopenhauers Verhältnis zu Teresa Fuga handelt es sich tatsächlich um eine kurze Liebschaft. Caroline Jagemann allerdings erwiderte seine Leidenschaft nicht. Und zu Caroline Richter-Medon, die er 1821 kennen lernte, hielt er - ungeachtet aller Untreue der Schauspielerin - eine zehnjährige Bindung aufrecht und bedachte sie noch in seinem Testament. Solche Unterschiede erwähnt Korff nicht. Ihm sind alles "Liebesaffären".

Schließlich wendet sich der Essayist von den Philosophen ab und einer Autorin zu. Die bereits 1972 erschienene und in die dritte Auflage des vorliegenden Buches neu aufgenommene Kritik an Ingeborg Bachmanns Roman "Malina" wurde seinerzeit schon von Elke Atzler zu Recht als "eines der geringschätzigsten und anmaßendsten Urteile" bezeichnet. Und eines der ahnungslosesten, so möchte man hinzufügen. Als Interpret des literarischen Textes strauchelt der Philosophieprofessor schon, bevor er den Fuß zum ersten Schritt hebt. Ihm unterlaufen Fehler, die sich selbst Studierende in einem Narrativik-Proseminar nicht leisten dürften. Der Unterschied zwischen Autorin und Erzählinstanz scheint ihm schlicht unbekannt zu sein. So identifiziert er Ingeborg Bachmann mal mit der "Erzählerin", der "Autorin", der "Verfasserin", der "Dichterin" der weiblichen Protagonistin, der Ich-Erzählerin und irgendwie alle mit allen.

Mit einem Seufzer der Erleichterung legt der Rezensent das Buch endlich zur Seite. Bei seiner Lektüre würden selbst Holzfäller und Papierfabrikanten ihr Liebe zu Bäumen entdecken.

Friedrich Wilhelm Korff: Der Philosoph und die Frau.
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Titelbild

Friedrich Wilhelm Korff: Der Philosoph und die Frau. Zur Geschichte einer Mesalliance.
Klöpfer, Narr Verlag, Tübingen 1998.
197 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3931402290

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