Deutschsein als Amt

Zum Briefwechsel Ernst Jüngers und Friedrich Hielschers

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In den vergangenen Jahren sind hervorragend edierte Briefwechsel von Ernst Jünger mit Rudolf Schlichter, Carl Schmitt oder Gerhard Nebel erschienen, und noch der greise Ernst Jünger bedauerte in seinen Tagebüchern wiederholt, dass er die Briefe Erich Mühsams eigenhändig dem Kaminfeuer übergeben musste, da er Hausdurchsuchungen der Gestapo zu gewärtigen hatte.

Umso gespannter war die Veröffentlichung der Korrespondenz mit Friedrich Hielscher (1902-1990) erwartet worden, der mit Ernst Jünger (1895-1998) seit den 20er Jahren nicht zuletzt durch den gemeinsamen nationalistischen Aktivismus in Verbindung stand. Der erhaltene Briefwechsel umfasst die Jahrzehnte zwischen 1927 bis 1985, wobei freilich beträchtliche Pausen einzuberechnen sind. Aus den 70er Jahren sind keine Textzeugnisse vorhanden. Politisch aufschlussreich sind die Briefe der 20er Jahre, die einen dokumentarischen Zugang zur Rolle Jüngers aber auch Hielschers im tagespolitischen Geschehen ermöglichen.

Nicht zuletzt an dieser Stelle kommt der vorliegenden Edition die außerordentlich kundige Betreuung durch die Herausgeber Stefan Breuer und Ina Schmidt zugute, die nicht nur mit einem sachlichen Nachwort, das ganze Bücher zu dieser Thematik ersetzt, brillieren, sondern sich auch durch eine kompetente Kommentierung der Briefe auszeichnen. Wie die politische Linke war auch die politische Rechte in jenen Jahren durch eine außerordentliche Vielzahl von Gruppierungen, Abspaltungen und Richtungskämpfen gekennzeichnet, die sich in einer schier unübersichtlichen Zahl von oft kurzlebigen Verlagen, aber auch Büchern, Kampfschriften und diversen Blättern wiederspiegelte. Die Briefe von Jünger und Hielscher, der neben einer Vielzahl nationalistischer Polemiken auch der Gründer einer eigensinnigen Freikirche war, geben Einblick in taktische Manöver, Intrigen aber auch in die Entwicklung politischer Richtungen.

Die Weimarer Republik und vor allem der kulturelle Westen bildeten den Hintergrund, von dem man sich abheben wollte. Gemeinsamer Nenner Jüngers und Hielschers war die Ablehnung der "nivellierenden Tendenzen der Demokratie". Das Heil wurde in einer "deutschen Weltanschauung" gesucht, die es auszuformulieren galt. In einer gesonderten Studie hat Ina Schmidt Friedrich Hielscher ein kritisches Denkmal gesetzt. Sie zeichnet die Entwicklung auf, die Hielscher und seinen Kreis im Spannungsfeld zwischen Heidentum, neuem Nationalismus und schließlich den Wiederstand gegen den Nationalsozialismus nahmen. Bereits Ende der 20er Jahre verstand sich Hielscher und sein Kreis - wie auch Ernst Jünger - als ideologisch unversöhnlicher Gegner des Hitler'schen Nationalsozialismus. Jünger schrieb am 5.4.1938 an Hielscher: "In diesen Tagen leuchtete mir sehr schön ein das Wort: 'Die Wüste wächst - weh dem der Wüsten birgt'".

Hielscher hatte das Deutschsein als "Amt" gesehen, das es tätig zu erfüllen gelte. Somit gab es aus seiner Sicht auch Deutsche, die dieses Amt nicht erfüllten: Kapitalisten sowie Parteien und deren Vertreter, die sich lediglich am Nutzen und Ertrag orientieren. Hielschers Widerstandskreis, der sich zumeist aus Männern der bündischen Jugend zusammensetzte, konstituierte sich bereits während der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933. Das Konzept bestand in der Infiltrierung in höchste militärische, politische aber auch wirtschaftliche Ämter und Positionen. Einem der einflussreichsten Männer des Hielscher-Kreises, Wolfram Sievers, war es gelungen, eine bedeutende Stellung beim "SS-Ahnenerbe" zu erlangen. Offiziell als Erforschung der Brauchtums- und Vorgeschichtsforschung errichtet, gelang es Sievers durch diese Position immer wieder, nicht nur Widerständler zu warnen und zu schützen, sondern sogar jüdischstämmigen Deutschen zur Ausreise zu verhelfen. Auch Hielschers Verhaftung im Jahr 1944 konnte durch Sievers Einfluss aufgehoben werden. 1948 wurde Sievers zum Tode verurteilt, nachdem ihn sein Widerstand nicht von den Verstrickungen in Täterstrukturen entlasten konnte. Hielscher, der sich mitschuldig an dessen gewaltsamen Tod gefühlt hatte, konnte seinen Schüler bis zur letzten Stunde begleiten.

Dass Hitler und seine Gefolgschaft das deutsche Volk, dessen Kultur und Geschichte in keinster Weise repräsentieren, war Hielschers wie Jüngers Überzeugung: Von "Gesindel" ist in ihren Briefen die Rede und von der "Schäbigkeit" der Nationalsozialisten. Von der Front schrieb Ernst Jünger am 13.12.1939 an Friedrich Hielscher: "Sie gehören zu den Wenigen, die von der Souveränität des Geistes noch eine Vorstellung besitzen, ungeachtet aller Demonstrationen in der empirischen Welt".


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Ina Schmidt: Der Herr des Feuers. Friedrich Hielscher und sein Kreis zwischen Heidentum, neuem Nationalismus und Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
SH-Verlag, Köln 2004.
335 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-10: 3894981350

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Ernst Jünger / Friedrich Hielscher: Briefe 1927-1985.
Herausgegeben von Ina Schmidt und Stefan Breuer.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005.
556 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-10: 3608936173

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