Sorge dich nicht, lese Madonna!

Zwei neue Kinderbücher der Pop-Ikone

Von Mario Alexander WeberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mario Alexander Weber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"From Marilyn to Madonna I always loved your smile", singt Neil Young in seiner Rock'n'Roll-Elegie "From Hank to Hendrix". Im Gegensatz zu MM ist Madonna zum Glück noch sehr lebendig. "Lehre Nummer 5: Lächeln ist ansteckend" liest man in Madonnas allerneuestem Kinderbuch "Billie Bargeld". Doch der "Spiegel" konstatiert: "Kinderbücher schreiben und das Land- und Familienleben mit Ehemann Guy Ritchie genießen, das reicht der Pop-Ikone Madonna nicht aus."

Im Jahr 2003 debütierte Madonna, bis dato als Popsängerin und Schauspielerin bekannt, mit dem Kinderbuch "Die ersten Rosen". Aktuell ist ihr neues Album "Confessions on a dance floor" auf dem Markt, dessen Track 10, "Isaac", für Gesprächsstoff über Popmusikkreise hinaus sorgt. Madonna bekennt sich zur jüdischen Geheimlehre "Kabbalah", deren Hollywood-Variante schon mal als "Religion für die Gucci-Klasse" (im TV-Magazin "Polylux") bezeichnet wird. Israelische Kabbalah-Rabbiner fanden den zehnten Song weniger lustig, sahen sie doch darin eine nicht erlaubte kommerzielle Ausbeutung. Kurzum: Madonna ist mehr denn je im Gespräch, derweil bei aller Aufregung verloren geht, dass Madonna dieses Jahr ihre Kinderbücher Nummer 4 und 5 veröffentlicht hat. Also, zu den Kinderbüchern, die Tanzfläche kann warten.

Der Band "Die Abenteuer von Abdi" spielt im Orient, ist wunderbar von Olga und Andrej Dugin illustriert und erzählt von den Irrungen und Wirrungen um eine Halskette. Das junge Waisenkind Abdi hat im Auftrag seines Ziehvaters, einem alten Juwelier, eine wertvolle Halskette als Geschenk für die Königin an den Hof zu bringen. Unterwegs wird Abdi die Kette gestohlen; unwissend übergibt er dem König die Schatulle, in welcher sich statt des Präsents eine kleine Schlange befindet. Ab in den Kerker! heißt es da für Abdi. Doch dank der zaubermächtigen Hilfe des alten Juweliers wendet sich schließlich wenig überraschend alles noch zum Guten. Der junge Held hat viel gelernt, vor allem, dass der Ratschlag seines Ziehvaters sich im Leben bewahrheitet: "Und vergiss nicht, dass alles, was uns im Leben widerfährt, nur zu unserem Besten ist."

Ein Schelm, wer diese mantrahaft wiederholte, fragwürdige Weisheit jetzt mit Madonnas religiöser Weltsicht in Verbindung bringt. "Sich seiner Sache sicher zu sein, verleiht unendliche Kraft." Die irdischen Probleme löst in Madonnas Geschichte die unirdische Zauberkraft des Juweliers, der Schlangen in kostbaren Schmuck zurückverwandeln kann. Die bis zur Sache mit dem Kerker recht spannende Geschichte wird gegen Ende doch recht albern. Die magische Komponente ist eine erzählerische Verlegenheitslösung. Die Illustrationen, mit ihren überstilisierten Turbanen, die sich gen Wüstenhimmel schrauben, den Kamelen auf dünnen Beinen und vielen schönen Details, überzeugen dagegen.

Billie Bargeld ist "mit Abstand der reichste Mann im Land". Sein Problem: Er ist nicht glücklich. Ein alter Mann, den der Unglückliche in einer fernen Stadt aufsucht, erteilt ihm den Rat: "Wenn du teilst, was du besitzt, und anderen den Vortritt lässt, wirst du das Glück auf Erden finden." Und da Billie Bargeld in der fremden Stadt bis auf die Unterhosen ausgeraubt wird, muss er sich notgedrungen einem reisenden Kaufmann anschließen, der ihn für sich arbeiten lässt. Gegen Ende sind die beiden dicke Freunde und Billie Bargeld hat in einem mehr oder weniger schmerzlichen Erkenntnisprozess begriffen, dass Geld allein nicht glücklich macht.

Die erste (unfreiwillige) Pointe dieser schon oft gelesenen Geschichte ist Billie Bargelds Kutscher, der seinen mürrischen Dienstherrn ohne zu klagen in die ferne Stadt gefahren hat, um dort zurückgelassen zu werden. In der gesamten Erzählung ist nie mehr die Rede von ihm. Was mag aus dem Kutscher geworden sein? Ist er allein zum Anwesen seines Herrn zurückgefahren, ist er in der fernen Stadt geblieben? Möglicherweise hat er dort geheiratet, viele Kinder bekommen und wenn er nicht gestorben ist, dann...

Yaak Karsunkes bissiges Chauffeur-Gedicht "Matti wechselt das Rad", eine Antwort auf Bertolt Brechts "Radwechsel", kommt einem da in den Sinn: "als fahrer verwartest du stunden, warum wird er nervös wenn er einmal auf mich warten muß?" Die zweite Pointe von Madonnas Geschichte ist, dass der edle Kaufmann, der Billie Bargeld auf seine Lehr- und Wanderwochen mitnimmt, sich als der ehemalige Eigentümer des Anwesens entpuppt, das Bargeld jetzt gehört. Der Kaufmann verschenkt sein Hab und Gut, ist demnächst mittellos, dafür aber glücklich. Als Fazit bleibt: Die Kapitalisten sind unter sich, der einzige Arbeiter im Weinberge des Herrn ist aus den Seiten gefallen.

"Billie Bargeld" erinnert nicht nur optisch an Kinderbücher aus den 50er-Jahren, die unsere Eltern auf den Dachböden unserer Großmütter gerne zurückgelassen haben. Die Geschichte ist doch sehr belehrend und einen Tick zu eindimensional. Im "Exlibris" heißt es: "Dieses Buch gehört dem nettesten Kind auf der ganzen Welt." 50.000.000 Kinder können nicht irren. Aber ob die Figur auf Seite 35 ein Wombat ist, darüber lässt sich trefflich streiten.


Titelbild

Madonna: Billie Bargeld.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Michael Krüger.
Carl Hanser Verlag, München 2005.
48 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3446205128

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Titelbild

Madonna: Die Abenteuer von Abdi.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Anu Stohner.
Carl Hanser Verlag, München 2005.
36 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3446206167

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